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Interview

ln der Bundesrepublik gibt es insgesamt ca. 350 Ausbil–

dungsberufe. Dennoch entscheiden sich 85 Prozent der

Mädchen für nur 15 Berufe. Woran liegt das?

Entscheidend ist hier sicher das Elternhaus- in der Regel

wird einfach noch sehr traditionell gedacht. Ein Mädchen

als Schneiderin, das kann man sich gut verstellen. Aber

als Maschinenschlosserin? Dieses Klischeedenken ist üb–

rigens auch in den Schulen noch sehr verbreitet.

Wie steht es da mit den Betrieben?

Sicher wird der eine oder andere Handwerksmeister

überrascht sein oder Bedenken haben, wenn sich in

einem sogenannten Männerberuf ein Mädchen vorstellt.

Aber was spricht eigentlich dagegen, ein Mädchen einzu–

stellen, wenn es die notwendigen Voraussetzungen mit–

bringt?

Gibt es auch Berufe, die Sie - bei aller Gleichberechti–

gung - Ihrer Tochter nicht oder nur begrenzt empfehlen

würden?

Eigentlich immer weniger. Andererseits gibt es durchaus

Berufe, in denen auch heute noch körperliche Schwerar–

beit geleistet werden muß. Wenn aber ein Mädchen die

nötige körperliche Konstitution besitzt, so kann ich es mir

selbstverständlich in so einem Beruf vorstellen. Im Sport

hat sich da die Einstellung sehr viel mehr gewandelt. Es

wundert sich doch niemand mehr über Mehrkämpferin–

nen oder Abfahrtsläuferinnen.

Ohne uns Hand–

werker fährt

kein Auto

undbrennt

kein Oien.

Kommen wir zum Thema Europa. ln der Bundesrepublik

erfolgt die berufliche Ausbildung in Betrieb und Berufs–

schule. Welche Stellung nimmt Ihrer Meinung nach dieses

duale System im Vergleich mit den Ausbildungsgängen

der europäischen Nachbarländer ein?

Tatsache ist, daß uns die Weit heute um unser Ausbil–

dungssystem beneidet; sogar in China versucht man un–

ser duales System zu übernehmen. Wir brauchen also den

Vergleich mit anderen Ländern nicht zu scheuen.

Ist zu befürchten, daß durch den gemeinsamen Binnen-

18 SCHULE

aktuell

markt 1993 das duale System und damit der hohe Stan–

dard unserer beruflichen Ausbildung gefährdet wird?

Nein. Alle Parteien stimmen darin überein, daß am vor–

handenen Ausbildungssystem festgehalten werden muß.

Es wäre ein verhängnisvoller Fehler, wollte man das Ni–

veau senken. Europa hat gegenüber den Billiglahn-Län–

dern nur durch Qualität und Leistung eine Chance.

Bringt der europäische Binnenmarkt für das Handwerk

überhaupt große Veränderungen? Ein Handwerksbetrieb

hat doch seine Kunden ip der näheren Umgebung.

Für Bayern stimmt das, was Sie sagen, größtenteils. Aber

wenn man nach Westen bzw. Nordwesten geht, wo die

Bundesrepublik an Frankreich oder die Niederlande an–

grenzt, da spielt das unterschiedliche Lohnniveau oder

unser niedriger Mehrwertsteuersatz schon eine wichtige

Rolle. Die Konkurrenz für das Handwerk wird dort grö–

ßer werden.

Herr Späth, was macht Ihnen als "oberster Anwalt" des

deutschen Handwerks die größte Sorge, wenn Sie an die

Zukunft denken?

Es gibt eigentlich nur ein zentrales Thema- den Fachkräf–

temangeL Wenn wir ihn beheben wollen, müssen wir vor

allem das Nachwuchsproblem in den Griff bekommen.

Was stimmt Sie dennoch zuversichtlich?

Sehen Sie, das Handwerk ha_t sich zu jeder Zeit den aktu–

ellen Problemen und Aufgaben gestellt. Als es einen Aus-

bildungsplatzmangel gab, da wurden vom Handwerk

Lehrstellen angeboten. Technische Neuerungen sind zum

Teil erst mit Hilfe des Handwerks möglich geworden -

das reicht bis hin zur Raumfahrt. Viele reden vom Um–

weltschutz, das Handwerk praktiziert ihn schon seit Jahr–

zehnten. Jedes Dach, das wir isolieren, jeder Katalysator,

den wir einbauen - das ist praktizierter Umweltschutz.

Und schließlich braucht man das Handwerk einfach- oh–

ne uns fährt kein Auto und brennt kein Ofen. All das zeigt

doch, daß das Handwerk Zukunft hat.