Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel - page 113

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Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel
erlebte Handlungsfähigkeit auf das Staatssystem zu übertragen, um auch dem Gefühl von Ohnmacht
entgegenzuwirken, gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen ausgeliefert zu sein.
Scherr (vgl. 2010; ausführlich in Kapitel 4.4) weist akzeptierender Jugendarbeit eine Rolle in der Prä-
vention zu, da sie ebenfalls Orte des Dialogs anbieten kann und Jugendlichen Möglichkeiten gibt An-
gebote mitzubestimmen und mitzugestalten. Zur Zielgruppenerreichung spielen dann bspw. die Ko-
operationen zwischen Jugendarbeit und Schule eine Rolle oder auch aufsuchende Elemente Sozialer
Arbeit an für diese Zielgruppen relevanten Orten. Dabei kann es u.a. auch nur darum gehen, Räume
anzubieten, Präsenz zu zeigen und sich als Ansprech- und Diskussionspartner zur Verfügung zu stel-
len.
2.
Beratung und Begleitung verstehend und individuell gestalten.
Im Zusammenhang mit Gewalthandeln ist festzuhalten, dass es sich dabei zumeist um eine Straftat
handelt, unabhängig davon, ob sie politisch motiviert ist oder nicht. Als Berater und Begleiter straffäl-
lig gewordener Jugendlicher fungieren bspw. Jugendgerichtshelfer. Es geht zunächst darum, An-
sprechpartner zu sein. Dazu gehören: Zuhören, Verständnis zeigen und versuchen, die Position und
mögliche Handlungen nachzuvollziehen und zu verstehen und den Jugendlichen das Gefühl des An-
genommen seins zu vermitteln.
Gesellschaftliches Engagement und Protest sind individuell sehr verschieden, die Lebensumstände
und der persönliche Bezug dazu ebenso – und somit auch die Umstände oder möglichen Motive, die
zur Überschreitung von Grenzen führen können. Dies ist dann im Rahmen der Beratung und Beglei-
tung zu eruieren. Es geht immer um Hilfe im Einzelfall und Interventionen sind individuell zu gestal-
ten um weitere Straftaten zu verhindern.
Die Basis für Beratung und in manchen Fällen längerfristige Begleitung ist die Beziehungsqualität
(auch Vertrauen) zwischen Berater und Betroffenem. Zu berücksichtigen ist in diesem Kontext auch,
dass die betroffenen Jugendlichen nicht immer ganz freiwillig in die Beratung kommen.
3.
Die Entwicklung von Strategien der Abgrenzung um situative Gewalt zu reduzieren.
Für Gewalt(handeln) als Mittel im Rahmen von Engagement und Protest spielt situative Gewalt eine
zentrale Rolle. Gewalt, die in der Situation entsteht, wird begleitet von intensiven Gefühlen – sei es
von dem Gefühl des sich-bedroht-fühlens durch das Gegenüber, sei es im Zusammenhang mit einer
Art Rauschzustand, in den man durch die eigene Gruppe bzw. die Stimmung geraten kann. Beides
kann unter Umständen gewaltauslösend wirken. Wir haben gesehen, dass auch bei Befragten, die
Gewalt nicht als Mittel des Engagements und Protests ansehen, unter Umständen in diesem Kontext
eine ungewollte Grenzüberschreitung erfolgen kann. Man wird von den eigenen Emotionen über-
schwemmt und lässt sich von der Gruppe mitreißen. Dies beschreiben u.a. auch Befragte, die für sich
Strategien gefunden haben die eigen gesetzten Grenzen auch dann nicht zu überschreiten – man hält
sich von solchen Veranstaltungen fern, da ein gewisses Gewaltpotential vorhanden ist. Diese Strate-
gie ist sicherlich nicht für viele eine relevante Option, bieten doch gerade Demonstrationen die Mög-
lichkeit auf die eigenen Anliegen aufmerksam zu machen. Eine Frage im Kontext von Gewaltpräventi-
on muss dementsprechend lauten:
Welche Strategien können Jugendliche, die trotzdem an De-
monstrationen teilnehmen möchten, für sich entwickeln, um nicht in den Sog der Gruppe zu gera-
ten und in die Gefahr zu kommen Gewalt anzuwenden?
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