Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel - page 111

111
Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel
Im professionellen Kontext wird zwischen drei Formen der Prävention unterschieden – der primären,
der sekundären und der tertiären Prävention. Unter primärer Prävention werden Maßnahmen zu-
sammengefasst, die das Auftreten einer unerwünschten Entwicklung verhindern sollen, sekundäre
Prävention umfasst Maßnahmen, die negative Ausformungen einer bereits aufgetretenen uner-
wünschten Entwicklung reduzieren sollen und bei tertiärer Prävention ist die Begrenzung von Folge-
schäden zentral (vgl. Gollwitzer/Pfetsch/Schneider/Schulz/Steffke/Ulrich 2007, 7). Im Kontext von
gesellschaftlichem Engagement, Jugendprotest und der Wahl der Mittel geht es darum, eine uner-
wünschte Entwicklung bzw. negative Ausformungen des Engagements und Protests durch geeignete
Maßnahmen zu verhindern, zu reduzieren oder bereits entstandene Folgeschäden einzudämmen,
wobei die sekundäre Prävention vorrangig ist.
6.1 Zielgruppen und Gegenstand von Prävention
Beschreibung der Zielgruppen von Prävention.
Die Empirie hat gezeigt, dass die befragten Jugendli-
chen eine Vielfalt an Zugängen und Bezügen, Sozialisationsvorgängen und Verhaltensweisen mitbrin-
gen bzw. aufweisen. Die Personen lassen sich dementsprechend auch schlecht kategorisieren. Sollte
man einen Begriff für die Befragten wählen so hätte er sicherlich etwas mit einem „ausgeprägten
Individualismus“ zu tun, der sich u.a. in dem Wunsch nach Autonomie und Selbstbestimmung und in
dem Leitsatz, dass jeder nur für sich selbst verantwortlich ist, manifestiert. Wie könnte man die Be-
fragten aber dennoch charakterisieren? – Unabhängig von individuellen Unterschieden sind es Ju-
gendliche, die die politischen bzw. gesellschaftlichen Verhältnisse, so wie sie sind, nicht akzeptieren
und passiv hinnehmen wollen. Sie wollen selbstwirksam und handlungsfähig sein. Die Befragten wol-
len nicht über eine Ideologie, sondern über die Wahrung der eigenen Autonomie und mit Szenen-
bzw. Gruppenunterstützung auf politische bzw. gesellschaftliche Missstände aufmerksam machen,
sich einmischen und etwas verändern.
Entsprechend dieser Vielfalt und Individualität muss Prävention einen offenen Zugang haben.
Im November 2012 wurden erste Ergebnisse des Forschungsprojektes auf der 6. Fachtagung der Re-
gionalbeauftragten für Demokratie und Toleranz vorgestellt und diskutiert. Die Regionalbeauftragten
für Demokratie und Toleranz wurden vom Land Bayern im Rahmen der Umsetzung des „bayrischen
Handlungskonzepts gegen Rechtsextremismus“ an neun staatlichen Schulberatungsstellen einge-
setzt, um landesweit Schüler, Eltern und Lehrkräfte bei der Präventionsarbeit vor allem gegen extre-
mistische Strömungen zu unterstützen. Im Mittelpunkt steht dabei die Rechtsextremismuspräventi-
on. Die Ergebnisse fließen in die folgenden Ausführungen ein.
Gegenstand von Prävention.
Mit Blick auf die Empirie sind vor allen Dingen folgende Aspekte prob-
lematisch und sollten dementsprechend Gegenstand von Prävention sein. Zum einen das vorhandene
Misstrauen bzw. der Vertrauensverlust gegenüber Staat und Politik und damit zusammenhängende
Folgen – vor allen Dingen auch im Hinblick auf das Verhältnis der Befragten gegenüber der Polizei
und das Gewalt(handeln) im Rahmen von Engagement und Protest.
Für die Aufgabe der Prävention ist festzuhalten, dass Individualität und das Individuum im Zentrum
von Prävention stehen sollten. Darüber hinaus ist zu bedenken, wie auch Möbius und Wendland (vgl.
2012, 138) ausführen, dass bei Jugendlichen, die sich im linksautonomen Spektrum bewegen, staat-
lich geförderte Angebote zur Unterstützung schwerlich greifen, da diese ihrem Verständnis von Au-
tonomie zuwiderlaufen. Dementsprechend kommt der Schule eine wesentliche Aufgabe zu, da dies
1...,101,102,103,104,105,106,107,108,109,110 112,113,114,115,116,117,118,119,120,121,...126
Powered by FlippingBook