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Das Frauenstimmrecht in der Schweiz – Geschichte eines scheinbaren Anachronismus

Einsichten und Perspektiven 1 | 18

Stimmrecht für Frauen. Ab dem Jahr 1909 wurde es zum

primären Ziel der zu einem gesamtschweizerischen Ver-

band zusammengeschlossenen Frauenstimmrechtsvereine.

Sie traten schließlich der

International Woman Suffrage

Alliance

(IWSA) bei.

8

Da schon die wenigen Versuche, Frauen auf lokaler

Ebene die Mitgliedschaft in den schulischen oder kirch-

lichen Behörden zu gewähren, an der Ablehnung der

bestimmenden Männern gescheitert waren, zeigten sich

die meisten bürgerlich geprägten Frauenvereine in Bezug

auf das Vorgehen in Sachen Frauenstimmrecht vorsichtig.

Selbst der 1900 gegründete Bund Schweizerischer Frau-

envereine (BSF), der im Voraus mit seiner Absicht die

Gleichstellung in der Ehe im neuen Zivilgesetz zu veran-

kern, gescheitert war, hielt sich zurück.

9

Daher suchten

8 Sybille Hardmeier: Frühe Frauenstimmrechtsbewegung in der Schweiz

(1890–1930). Argumente, Strategien, Netzwerk und Gegenbewegung,

1997, S. 102–112.

9 Silke Redolfi: Frauen bauen Staat. 100 Jahre Bund Schweizerischer Frau-

enorganisationen, 1900–2000, Zürich 2000, S. 32–50.

nun die meisten Frauenverbände, die Eignung der Frauen

zur Staatsbürgerin über gemeinnützige Tätigkeit und bil-

dungsmäßige Aufklärung zu beweisen, um so die Männer

für die politische Gleichstellung der Frauen zu gewinnen.

Nicht den Eindruck von Suffragetten zu vermitteln war

insbesonders in der deutschen Schweiz die vorherrschende

Devise. Der in diesem Landesteil gepflegte Rückgriff auf die

Figur der „Stauffacherin“ aus Schillers „Wilhelm Tell“, mit

dem Ziel, sich in den patriotischen Diskurs der Jahrhun-

dertwende einzubinden, erwies sich dabei als höchst zwie-

spältig: Als Stauffacherin sah sich die Frau als Gefährtin des

Mannes, die nur indirekt durch den Einfluss auf Ehemann

und Söhne an der Gestaltung der politischen Öffentlichkeit

partizipieren konnte. Oder, um nochmals Arni zu zitieren,

sie war diejenige, die „anstiftete, aber nicht mittat“.

10

10 Arni (wie Anm. 2), S. 26.

Emilie Kempin-Spyri, erste Juristin Europas, um 1890

Foto: ullstein/Gircke

Die "

International Woman Suffragette Alliance

", ca. 1914

Foto: ullstein/United Archives