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Die Gesundheitsberichte des Landgerichtsarztes Dr. Schleis von Löwenfeld (1772-1852)

Einsichten und Perspektiven 3 | 17

Der Landgerichtsarzt war seiner Zeit weit voraus. Der Auffor-

derung der bayerischen Regierung zur Vorlage einer Medizi-

nischen Topographie kamen nur wenige Kollegen nach. Erst

50 Jahre später, 1858, in der Regierungszeit König Max‘ II.,

führte eine Ministerialentschließung zu einer Vielzahl von

Physikatsberichten, die heute eine wichtige ethnographische

Quelle darstellen.

46

Wolfgang Zorn hatte 1982 ihren Stellen-

wert erkannt und ins Bewusstsein der Forschung gerückt.

47

Seither sind zahlreiche kommentierte Editionen erschienen,

48

so auch 2015 eine von Konrad Zrenner zum Physikatsbe-

richt des Arztes Dr. Franz Joseph Bauer für das Landgericht

Sulzbach aus dem Jahr 1860.

49

Wiederholt wird dort Bezug

genommen auf Schleis von Löwenfelds Topographie, die als

Vorlage und Vorbild diente.

Die Beschäftigung mit der Biographie Christoph

Raphael Schleis von Löwenfelds‘ eröffnet den Blick auf

die Anfänge des Öffentlichen Gesundheitsdienstes in Bay-

ern: Zu Beginn des 19. Jahrhunderts beauftragte der lei-

tende Minister des Kurfürsten Max IV. Joseph, Maximilian

Joseph von Montgelas, den Münchner Arzt und später zum

Obermedizinalrat ernannten Simon von Häberl (1772-

1831) mit dem Aufbau eines neuen Medizinalwesens.

50

Besondere Bedeutung kam dabei der Institutionalisierung

von Landgerichtsärzten als Staatsbeamten im Jahr 1803,

also noch im Kurfürstentum Bayern, zu. Mit den Stadt-

gerichtsärzten wurde 1806 eine ähnliche Einrichtung für

die größeren Städte geschaffen. Die Medizinalverwaltung

wurde wie die gesamte Verwaltung in drei bis heute fortbe-

stehende Instanzen gegliedert: Zentral-, Mittel- und Unter-

behörden (Innenministerium, Kreise- heute Regierungs-

bezirke- und Landgerichte- heute Landkreise). Weitere

wichtige Reformen betrafen die Ausbildung der Ärzte und

anderer Heilberufe, das Behandlungsverbot für Laien, also

für nicht medizinisch geschulte und ausgebildete Personen,

und die Einführung der gesetzlichen Pockenschutzimpfung

im Jahr 1807. Das „Organische Edict über das Medicinal-

46 Die Erstattung von Jahres-Berichten der Physikate betreffend/ Die Her-

stellung medicinischer Topographien und Ethnographien betreffend, in:

Aerztliches Intelligenz Blatt 5, 1858, S. 209-213, Abdruck in: Gesund Le-

ben in Bayern 1808-2008 (wie Anm. 18), S. 122.

47 Wolfgang Zorn: Medizinische Volkskunde als sozialgeschichtliche Quelle.

Die bayerischen Bezirksärztebeschreibungen von 1860/ 61, in: Vierteljah-

resschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 69 (1982), S. 219-231.

48 Siehe Kuhn (wie Anm. 2), Wormer (wie Anm. 14) sowie Reder: Die bayeri-

schen Physikatsberichte 1858-1861, Würzburg 1995.

49 Zrenner (wie Anm. 29), S. 213.

50 August Hirsch: Haeberl, Simon von. In: Allgemeine Deutsche Biographie 10

(1879), S. 269, vgl.

https://www.deutsche-biographie.de/gnd116358335.

html#adbcontent [Stand: 21.09.2017].

wesen im Königreiche Baiern“ fasste schließlich 1808 als

umfassendes Regelwerk für das gesamte Gesundheitswe-

sen im neuen Königreich alle Reformen zusammen. Einen

wichtigen Schwerpunkt bildete der Aufbau einer Gesund-

heitsfachverwaltung als Teil eines effizienten und effektiven

bayerischen Staatsdienstes.

51

Auch in Blick auf das Gesund-

heitswesen wird mithin deutlich, wie einschneidend die

Montgelas’schen Reformen für die Entstehung des moder-

nen Bayern waren.

51 Wormer (wie Anm. 14), S. 132.

Das Grabmal von Dr. med. Simon Ritter von Häberl (1772-1831), erster

Direktor des Krankenhauses links der Isar auf dem Alten Südfriedhof in

München

Foto : sz-photo/Sarah Peters/imageBROKER