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Die Gesundheitsberichte des Landgerichtsarztes Dr. Schleis von Löwenfeld (1772-1852)
Einsichten und Perspektiven 3 | 17
Geschlechts, sowohl in der Stadt als auch auf dem Lande
allgemein verbreitet. Auch Schnupftabak werde häu-
fig und auch von Frauen konsumiert. Als nachteilig für
die Sitten und die Gesundheit stuft er das Tanzen ein,
das die Leidenschaften errege, übermäßig erhitze und
ermüde und zu Lungenkrankheiten führe, wobei auch
die schlechte Luft in den Tanzräumen eine Rolle spiele.
Als Staatsarzt ist ihm der Aberglaube ein besonderer
Dorn im Auge. Insbesondere wendet er sich gegen „Wun-
derkuren“ und fordert Lehrer und Erzieher zu frühzeiti-
ger Aufklärung auf.
Es folgen Wetteraufzeichnungen und Ausführungen
zu Nahrungsmitteln einschließlich des Trinkwassers,
das wegen seiner sehr guten Qualität gerne getrunken
werde. Das Wasser stamme aus 13 Quellen, wobei eine
den höher gelegenen Stadtteil versorge. Durch ein künst-
liches Druckwerk werde das Wasser zu einem Behältnis in
einem Turm befördert und von dort über mehrere, leider
bleierne Röhren verteilt. Auf dem Land stehe jedoch oft
nur in Zisternen gesammeltes Regenwasser zur Verfü-
gung. Lieblingsgetränk sei aber Bier. Auch Kaffee werde
mit verschiedenen Zusätzen wie gelbe Rüben oder Gerste
gerne getrunken, sei aber überflüssig.
Gesundheitsgefährdend sei oft die schlechte Luft in den
Wohnungen, wo man auch fast überall feuchte Wände und
Zimmer vorfinde. Auf dem Land seien die Wohnungen
niedrig und eng und hätten wenige oder kleine Fenster.
Der Landgerichtsarzt befasst sich weiter mit dem
Gewerbe und stellt in einer Übersicht die verschiede-
nen Handwerksberufe und die Zahl der Beschäftigten
dar: Die meisten sind Maurergesellen, es folgen Schnei-
der, Zimmergesellen, Schuhmacher, Müller, Weber und
Schmiede. Zahlreiche Berufe hatten nur einen einzigen
Vertreter, so Goldschmied, Kaminfeger, Perückenmacher
oder Zinngießer.
Schleis von Löwenfeld listet anschließend typische
berufsbedingte Krankheiten auf. Auffällig viele stellt er
bei Bäckern fest, u.a. Augen- und Lungenentzündungen,
Flechten und Fußgeschwüre. Schmiede litten an Rheu-
matismen, Durchfall, Hauterkrankungen, Schuhmacher
und Weber vor allem an Lungenentzündung und Lun-
gensucht. Buchdruckern attestiert er Augenschwäche,
Lungensucht und Hypochondrie.
Juden in Sulzbach
Ein eigenes Kapitel ist den Krankheiten der Israeliten,
also der Juden, gewidmet. Schleis von Löwenfeld stützt
sich dabei auch auf die jahrzehntelangen Erfahrungen
seines Vaters. Dieser habe bemerkt, dass arme Juden
infolge schlechter Ernährung und Kleidung sowie unge-
sunder Zimmerluft häufig von Skabies (Krätze) befallen
seien. Aus verschiedenen Gründen, Kummer und Sorgen,
aber auch wegen ihrer körperlich und geistig anstrengen-
den Gottesdienste, seien Juden besonders empfindlich.
Kinder würden schon sehr früh beansprucht durch allzu
strenge sittliche Erziehung, was zu Verdauungskrankhei-
ten und später zu Nervenkrankheiten führe. Im hohen
Alter seien „Blödsinnigkeit“, Melancholie und Blindheit
die gewöhnlichen Krankheiten. Die jüdischen Gesetze
hätten dennoch auch Vorteile für die Gesundheit durch
den Verzicht auf Ausschweifungen.
Zu den Ausführungen über die Juden in Sulzbach ist
anzumerken, dass dort bereits im 17. Jahrhundert auf Ver-
anlassung des Pfalzgrafen Christian August eine jüdische
Gemeinde gegründet worden war, die unter besonderem
Schutz stand. Im 18. und 19. Jahrhundert war in der
Stadt eine der größten jüdischen Gemeinden in der Ober-
pfalz beheimatet. Der Höchststand wurde 1801 erreicht,
die ca. 350-köpfige jüdische Bevölkerung machte damals
etwa 10 Prozent der Einwohnerschaft aus.
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In Sulzbach
kam es nicht zu einer räumlichen Ghettobildung, sodass
von einer besseren Integration als andernorts auszugehen
ist. Die von Vorurteilen geprägten Passagen Schleis von
Löwenfelds, der zudem in einem gebildeten und tief reli-
giösen Elternhaus aufgewachsen war, dürften daher noch
vergleichsweise moderat ausgefallen sein.
Bauern
„Krankheiten der Bauern als Folge ihrer Erziehung
und Lebensweise“ lautet die Überschrift für den nächs-
ten Abschnitt. Hingewiesen wird auf schwere Arbeit,
ungünstige Witterungseinflüsse und dunkle und feuchte
Wohnungen, die ungesund seien, zumal in den Stuben
Viehfutter in Kesseln gekocht werde. Schwangere Bau-
ersfrauen seien durch Tragen und Heben, Stürze, Hitze
und Kälte gefährdet. Kinder würden nur einige Wochen
nach der Geburt gut gepflegt. Kopfausschlag, Brüche und
Krämpfe entstünden durch vernachlässigte Pflege. Ältere
Bauernkinder müssten oft weite Wege zur Schule zu Fuß
gehen, später auch schwere Feldarbeit verrichten, sie zögen
sich Verletzungen, Lungenentzündung und Rheumatis-
men zu. Bei Festen trinke der Landmann nicht selten bis
zur Berauschung Bier und Branntwein. Rheumatismen,
24 Johannes Hartmann: Die jüdische Gemeinde in Sulzbach und ihr Ende, in:
Oberpfälzer Kulturbund (Hg.): Die Oberpfalz und ihre Nachbarn aus dem
ehemaligen Nordgau, Festschrift 30. Bayerischer Nordgautag Sulzbach-
Rosenberg, Regensburg 1994, S. 90–97.