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Bunte Koalitionsrepublik Deutschland

Einsichten und Perspektiven 2 | 17

Koalitionsstrategien eingezwängt zwischen dem Wunsch

der Wähler nach einer Machtperspektive wie gleichzei-

tig der Abgrenzung von Wettbewerbern, den Strategien

der Landesverbände und der Notwendigkeit, sich Hand-

lungsspielraum zu bewahren. Es wird interessant sein, wie

die Parteien – vor allem mit zunehmender Intensität des

Wahlkampfs – damit umgehen und es lohnt sich, bei den

Formulierungen genau hinzuschauen. Bislang zeichnet

sich ab, dass die Parteien einen Kurs des Offenhaltens

möglichst vieler Optionen verfolgen – das erhöht ein-

deutig den Spielraum der Parteispitzen für Sondierungen

nach der Wahl.

Schließlich könnte die Bedeutung der Sondierungs-

phase nach der Wahl zunehmen. Bisher waren die Verhält-

nisse in der Bundesrepublik – was die Dauer der Regie-

rungsbildung angeht – relativ überschaubar. In anderen

Ländern (z.B. in Belgien oder in den Niederlanden) zieht

sich dieser Prozess deutlich länger hin, teilweise werden

die Gespräche abgebrochen und es wird wieder von vorne

begonnen. Zur Verlängerung der Koalitionsverhandlun-

gen wird auch beitragen, dass die Spitzen der deutschen

Parteien in offenen Situationen verstärkt die Parteibasis –

über Parteitage oder Mitgliederentscheide – einbeziehen

werden, um sich für neue Formate des Rückhalts in der

Partei zu versichern. Die SPD war nach der Wahl 2013 die

erste Partei auf Bundesebene, die sich den Eintritt in die

Große Koalition von der Basis in einer Urwahl bestätigen

ließ.

Fasst man die Ausführungen zum Wandel der deut-

schen Koalitionslandschaft zusammen, so wäre das erste

„echte“ Dreierbündnis auf Bundesebene sicherlich weni-

ger eine dramatische Neuerung als eine Reaktion auf die

Ausdifferenzierung des Parteiensystems sowie im Blick auf

unsere europäischen Nachbarn auch nicht ungewöhn-

lich.

27

Allerdings besteht durch die Beweglichkeit genauso

gut die Möglichkeit auf die zumindest zeitweise Rückkehr

zu den übersichtlichen alten Verhältnissen, etwa wenn

Union und FDP – wie in Nordrhein-Westfalen – knapp

auf eine Mehrheit kommen. Letztlich bleibt als Notlösung

weiterhin die Große Koalition eine Option, deren Fortset-

zung aber vor allem für die SPD als Juniorpartner wenig

Attraktivität besitzt und im Falle eines Stimmenverlusts

nur mit großem Widerwillen akzeptiert würde. Es wäre

wohl nur der Verweis auf die staatspolitische Verantwor-

tung, der hier final überzeugend wirken könnte.

Je nach Ausgang der Wahl könnte es diesmal etwas län-

ger dauern, bis eine Regierung ins Amt gelangt. In jedem

Fall können wir mehr noch als sonst mit Spannung auf

den Wahlkampf sowie den Sondierungen und Verhand-

lungen nach der Wahl schauen.

27 Vgl. Wolfgang Müller/Kaare Strøm: Koalitionsregierungen in Westeuropa:

Bildung, Arbeitsweise und Beendigung, Wien 1997.