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Bunte Koalitionsrepublik Deutschland

Einsichten und Perspektiven 2 | 17

Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat

Die Ausgestaltung der Länderbeteiligung auf Bundesebene

entspricht in Deutschland dem Modell des sogenannten

Exekutivföderalismus.

18

Im Bundesrat sind nicht die Lan-

desparlamente, sondern die Landesregierungen vertreten.

Ob ein Land einem Vorhaben zustimmt, müssen die Koa-

litionäre jeweils untereinander ausmachen – ein Aufteilen

der den Ländern nach ihrer Bevölkerungsgröße zustehen-

den drei bis sechs Stimmen ist nicht möglich. Entspre-

chend legen die Parteien in den Koalitionsvereinbarungen

so gut wie immer fest, dass sich das Land im Bundesrat

enthält, falls keine Einigung erzielt werden kann („Bun-

desratsklausel“). Jeder Koalitionspartner hat somit die

Möglichkeit, eine Enthaltung zu erzwingen. Damit eine

Initiative den Bundesrat erfolgreich passiert, werden aber

stets 35 Stimmen benötigt (absolute Mehrheit), so dass

sich Enthaltungen de facto wie Nein-Stimmen auswirken.

Es kann daher im Interesse der Bundesregierung sein,

dass sich in den Ländern möglichst die gleichen Parteien

zu Koalitionen zusammenfinden, die im Bund regieren,

sodass im Bundesrat (potenziell) leichter Mehrheiten

organisiert werden können. Ansonsten ist es den nicht an

der Bundesregierung vertretenen Parteien möglich, die-

sen über etwaige Beteiligungen an Landesregierungen als

Blockadeinstrument nutzen.

19

So waren beispielsweise im

Herbst 2016 die Grünen an so vielen Landesregierungen

beteiligt, dass sie die von der Großen Koalition auf den

Weg gebrachte Ausweitung der sicheren Drittstaatenre-

gelung auf einige nordafrikanische Staaten im Bundesrat

ablehnen konnten.

Allerdings haben die Bundesparteien formal keine Mit-

sprache bei den Koalitionsentscheidungen ihrer Landes-

verbände. Im Rahmen des Grundkonsenses der Gesamt-

partei besitzen diese eine hohe Autonomie und lassen sich

ungern in die zentrale Entscheidung der Regierungsbil-

dung hineinreden. Zugleich weisen die Landesverbände

der Parteien dezidiert eigene Profile auf.

20

Für die Union

gilt etwa, dass die Landesparteien in den Stadtstaaten sich

in gesellschaftspolitischen Fragen mehr hin zum libertä-

ren Pol platzieren. Bei den Grünen sind gerade die süd-

deutschen Verbände in Baden-Württemberg und Bayern

in beiden Konfliktdimensionen deutlich zentraler positio-

niert als der Rest der Partei.

18 Vgl. Korte (wie Anm. 11).

19 Vgl. Sven Leunig/Hendrik Träger: Parteipolitik und Landesinteressen. Der

deutsche Bundesrat 1949–2009, Münster u.a. 2012.

20 Vgl. Thomas Bräuninger/Marc Debus: Parteienwettbewerb in den deutschen

Bundesländern, Wiesbaden 2012.

Nichtsdestotrotz existieren in den föderal aufgebauten

Parteien informelle Kanäle, über die zu entsprechenden

Fragen Kommunikation verläuft und die Bundespartei

kann insgesamt eher bremsend oder fördernd agieren, was

sich zumindest in Teilen auf die Wahrscheinlichkeit von

Koalitionsexperimenten auswirkt.

Zusammensetzung und Stimmenverteilung im

Bundesrat (nach Koalitionskonstellationen)

Land

Regierung

Stimmen

Bayern

6

Mecklenburg-Vorpommern

3

Saarland

3

Sachsen

4

Sachsen-Anhalt

4

Nordrhein-Westfalen

6

Bremen

3

Hamburg

3

Niedersachsen

6

Baden-Württemberg

6

Hessen

5

Schleswig-Holstein

4

Berlin

4

Brandenburg

4

Thüringen

4

Rheinland-Pfalz

4

Quelle: Eigene Zusammenstellung