65
Bunte Koalitionsrepublik Deutschland
Einsichten und Perspektiven 2 | 17
Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat
Die Ausgestaltung der Länderbeteiligung auf Bundesebene
entspricht in Deutschland dem Modell des sogenannten
Exekutivföderalismus.
18
Im Bundesrat sind nicht die Lan-
desparlamente, sondern die Landesregierungen vertreten.
Ob ein Land einem Vorhaben zustimmt, müssen die Koa-
litionäre jeweils untereinander ausmachen – ein Aufteilen
der den Ländern nach ihrer Bevölkerungsgröße zustehen-
den drei bis sechs Stimmen ist nicht möglich. Entspre-
chend legen die Parteien in den Koalitionsvereinbarungen
so gut wie immer fest, dass sich das Land im Bundesrat
enthält, falls keine Einigung erzielt werden kann („Bun-
desratsklausel“). Jeder Koalitionspartner hat somit die
Möglichkeit, eine Enthaltung zu erzwingen. Damit eine
Initiative den Bundesrat erfolgreich passiert, werden aber
stets 35 Stimmen benötigt (absolute Mehrheit), so dass
sich Enthaltungen de facto wie Nein-Stimmen auswirken.
Es kann daher im Interesse der Bundesregierung sein,
dass sich in den Ländern möglichst die gleichen Parteien
zu Koalitionen zusammenfinden, die im Bund regieren,
sodass im Bundesrat (potenziell) leichter Mehrheiten
organisiert werden können. Ansonsten ist es den nicht an
der Bundesregierung vertretenen Parteien möglich, die-
sen über etwaige Beteiligungen an Landesregierungen als
Blockadeinstrument nutzen.
19
So waren beispielsweise im
Herbst 2016 die Grünen an so vielen Landesregierungen
beteiligt, dass sie die von der Großen Koalition auf den
Weg gebrachte Ausweitung der sicheren Drittstaatenre-
gelung auf einige nordafrikanische Staaten im Bundesrat
ablehnen konnten.
Allerdings haben die Bundesparteien formal keine Mit-
sprache bei den Koalitionsentscheidungen ihrer Landes-
verbände. Im Rahmen des Grundkonsenses der Gesamt-
partei besitzen diese eine hohe Autonomie und lassen sich
ungern in die zentrale Entscheidung der Regierungsbil-
dung hineinreden. Zugleich weisen die Landesverbände
der Parteien dezidiert eigene Profile auf.
20
Für die Union
gilt etwa, dass die Landesparteien in den Stadtstaaten sich
in gesellschaftspolitischen Fragen mehr hin zum libertä-
ren Pol platzieren. Bei den Grünen sind gerade die süd-
deutschen Verbände in Baden-Württemberg und Bayern
in beiden Konfliktdimensionen deutlich zentraler positio-
niert als der Rest der Partei.
18 Vgl. Korte (wie Anm. 11).
19 Vgl. Sven Leunig/Hendrik Träger: Parteipolitik und Landesinteressen. Der
deutsche Bundesrat 1949–2009, Münster u.a. 2012.
20 Vgl. Thomas Bräuninger/Marc Debus: Parteienwettbewerb in den deutschen
Bundesländern, Wiesbaden 2012.
Nichtsdestotrotz existieren in den föderal aufgebauten
Parteien informelle Kanäle, über die zu entsprechenden
Fragen Kommunikation verläuft und die Bundespartei
kann insgesamt eher bremsend oder fördernd agieren, was
sich zumindest in Teilen auf die Wahrscheinlichkeit von
Koalitionsexperimenten auswirkt.
Zusammensetzung und Stimmenverteilung im
Bundesrat (nach Koalitionskonstellationen)
Land
Regierung
Stimmen
Bayern
6
Mecklenburg-Vorpommern
3
Saarland
3
Sachsen
4
Sachsen-Anhalt
4
Nordrhein-Westfalen
6
Bremen
3
Hamburg
3
Niedersachsen
6
Baden-Württemberg
6
Hessen
5
Schleswig-Holstein
4
Berlin
4
Brandenburg
4
Thüringen
4
Rheinland-Pfalz
4
Quelle: Eigene Zusammenstellung