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Einsichten und Perspektiven 2 | 16
ßen, nicht eingewanderten Wählern populär, insbesondere
bei Männern und älteren Wählern. Religiös konservative
Amerikaner (also konservative Evangelikale, konservative
Katholiken und Mormonen) haben ihre politische Hei-
mat ebenfalls in der republikanischen Partei. Auch die
regionalen Unterschiede sind erheblich: Wähler in ländli-
chen und suburbanen Gebieten tendieren zu den Repub-
likanern, die ihre Hochburgen im Süden sowie imWesten
(außer der Westküste) der USA haben.
Die Demokraten hingegen erhalten viel Unterstützung
von ethnischen Minderheiten, vor allem den Afro-Ameri-
kanern und zunehmend den
Hispanics
, aber auch den
Asian
Americans
und Einwanderern insgesamt. Sie haben einen
merklichen Vorsprung bei Frauen, jüngeren sowie sehr
hoch gebildetenWählern und solchen ohne explizite Religi-
onszugehörigkeit. Auch LGBT
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-Amerikaner unterstützen
die Partei mehrheitlich. Die Hochburgen der Demokraten
liegen in den Großstädten und den Staaten des Nordostens,
der Westküste und Teilen des mittleren Westens.
Angesichts der demographischen Entwicklung der
USA haben die Demokraten somit einen mittel- bis lang-
fristigen Vorteil, denn die Gesellschaft wird ethnisch und
gesellschaftlich immer vielfältiger. Der Tag, an dem die
weißen, nicht eingewanderten Amerikaner nicht mehr die
absolute Mehrheit der Bevölkerung stellen, ist nicht mehr
fern. Bislang konnten die Republikaner diese Entwick-
lung jedoch ausgleichen, indem sie ihren Anteil an genau
dieser Wählergruppe immer weiter ausbauten.
Basisdemokratie trifft auf Parteipolitik: Der
Vorwahlkampf
Informelle Parteimitgliedschaft, schwache Parteiführung
Die US-amerikanischen Parteien funktionieren gänzlich
anders als die Parteien Europas, sie gleichen mehr politi-
schen Massenbewegungen als durchorganisierten Kader-
parteien.
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Politische Parteien in sind der US-Verfassung
(anders als in Deutschland) nicht verankert; die stark
föderale Natur der USA wiederum führt zu mehr als 50
verschiedenen Wahl- und Parteiengesetzen.
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Die großen Parteien haben Gremien auf nationaler,
einzelstaatlicher und lokaler Ebene, die auch von Vor-
sitzenden geführt werden. Diese Amtsträger sind jedoch
8 LGBT:
lesbian, gay, bisexual, transgender.
9 Zu Parteimitgliedschaft und -organisation s. Maisel (wie Anm. 2), S. 77–90.
10 Mehr als 50 deshalb, weil auch der Bundesdistrikt Washington D.C. sowie
Überseeterritorien wie Puerto Rico, Guam, Samoa u.a. bei manchen Vor-
wahlen und Wahlen eine Rolle spielen.
keinesfalls mit den Vorsitzenden und Vorständen deut-
scher Parteien vergleichbar. Eine starke, einflussreiche
Parteiführung im deutschen Sinne, welche die Personal-
und Sachpolitik der Partei entscheidend prägt, gibt es in
den USA nicht. Die Vorsitzenden des
Republican National
Committee
(derzeit Reince Priebus) und des
Democratic
National Committee
(Debbie Wasserman-Schultz) sind
keinesfalls die Spitzenpolitiker ihrer Parteien. Ihre Rolle
ist vor allem organisatorischer Natur.
Eine formale Parteimitgliedschaft im deutschen Sinne
mit Parteibüchern eine Mitgliedsbeiträgen gibt es nicht –
Zugehörigkeit zu einer Partei ist weitgehend eine Frage
der politischen Selbstidentifikation. In vielen Bundes-
staaten können sich Bürger, die sich ins Wahlregister ein-
tragen,
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gleichzeitig als Demokraten oder Republikaner
registrieren, andere Staaten sehen diese Möglichkeit gar
nicht erst vor und es bleibt den Bürgern völlig freigestellt,
bei welcher Partei sie sich an der politischen Willensbil-
dung beteiligen wollen.
Primaries, Caucuses, Parteitage
Diese politische Willensbildung erfolgt vor allem über
pri-
mary elections
, also Vorwahlen. Die Kandidaten für nahezu
alle politischen Ämter werden nicht über parteiinterne
Prozesse, sondern basisdemokratisch über Abstimmungen
der parteiorientierten Wähler bestimmt. Am meisten Auf-
sehen erregt dieser Prozess in Europa bei der Kandidaten-
kür für die Präsidentschaftswahl, aber ähnliche Prozesse
gibt es für nahezu alle anderen politischen Ämter. Der
genaue Prozess unterscheidet sich dabei je nach Bundes-
staat, politischem Amt und Partei. Im Folgenden geht es
um die Nominierung von Präsidentschaftskandidaten.
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Die Vorwahlen für die Präsidentschaftskandidatur der
großen Parteien finden in der Regel zwischen Februar und
Juni des Wahljahres statt, wobei traditionell Iowa und New
Hampshire den Anfang machen. Auch wenn die Vorwah-
len in jedem Staat und Territorium anders funktionieren,
kann man grob zwischen vier Arten unterscheiden:
•
open primary
: Es können alle registrierten Wähler frei
entscheiden, ob sie bei der Vorwahl der Demokraten
oder der Republikaner teilnehmen wollen (aber nicht
an beiden).
•
closed primary
: Nur diejenigen Wähler können an den
Vorwahlen teilnehmen, die bereits seit einer bestimm-
11 US-Amerikaner müssen sich eigeninitiativ als Wähler registrieren lassen,
denn es gibt kein Einwohnermeldewesen.
12 Zum Prozess der Vorwahlen s. Maisel (wie Anm. 2), S. 91–104.