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Einsichten und Perspektiven 2 | 16

Am 8. November 2016 wählen die US-Amerikaner einen neuen Präsidenten

oder eine neue Präsidentin. Der Wahlkampf für dieses auch für die interna-

tionale Politik bedeutsame Ereignis läuft aufgrund des komplexen innerpar-

teilichen Systems der Kandidatenkür über Vorwahlen bereits seit April 2015.

Als erster Beitrag in einer Serie über die amerikanische Präsidentschaftswahl

2016 erläutert dieser Artikel die Parteienlandschaft der USA, das System der

Vorwahlen und der eigentlichen Präsidentschaftswahl sowie Hintergründe der

Wahlkampfgestaltung. 

1

Vom Pragmatismus zur Polarisierung: Die Parteien-

landschaft der USA

Hintergründe des Zweiparteiensystems

Die politische Landschaft der USA ist seit Mitte des 19.

Jahrhunderts von zwei großen Parteien, den Demokraten

und den Republikanern, geprägt. 

2

Zwar existieren zahl-

reiche kleine Drittparteien, wie z.B. die

Libertarian Party

oder die

Green Party

, diese besitzen jedoch nur geringe

politische Bedeutung. Dies liegt vor allem an dem bei

den meisten Wahlen herrschenden relativen Mehrheits-

wahlrecht. Bei einer Wahl für das Repräsentantenhaus

z.B. gewinnt derjenige Kandidat, der in einem Wahlkreis

die meisten Stimmen hat, alle anderen Kandidaten gehen

leer aus

(„the-winner-takes-it-all

-Prinzip“). In einer sol-

chen Situation verzerren Drittparteien das Ergebnis in der

Regel nur, denn meist ziehen sie mehr Stimmen von der-

jenigen großen Partei weg, der sie eigentlich näherstehen. 

3

Das Zweiparteiensystem ist allerdings intern stark aus-

differenziert. Die Demokraten und Republikaner sind

echte Volksparteien. Sie bestehen aus vielen verschiede-

nen Flügeln und Wählergruppen, deren Positionen und

1 Zum Zeitpunkt der Artikelerstellung stand der Sieg von Donald Trump und

Hillary Clinton bei den Vorwahlen fest, sie waren allerdings noch nicht of-

fiziell die Präsidentschaftskandidaten ihrer Parteien [Stand: 15.07.2016].

2 Zur Geschichte der amerikanischen Parteien s. L. Sandy Maisel: American

Political Parties and Elections. A Very Short Introduction, New York

2

2016,

S. 28–55.

3 Mit teils dramatischen Folgen: Der Umwelt- und Verbraucherschutzak-

tivist Ralph Nader holte als Kandidat der

Green Party

bei der Präsident-

schaftswahl 2000 in Florida ca. 1,6 Prozent der Stimmen. Wäre Nader

nicht angetreten, hätte mutmaßlich zumindest ein Teil dieser Wähler für

den ebenfalls als Umweltpolitiker renommierten Demokraten Al Gore ge-

stimmt und das extrem knappe Wahlergebnis in Florida wäre zugunsten

von Gore gekippt. Damit hätte Gore, anstatt des Republikaners George W.

Bush, die insgesamt sehr knappe Präsidentschaftswahl gewonnen.

Interessen auch parteiintern oft weit auseinanderliegen.

Für eine neue politische Bewegung ist es strategisch meist

zielführender, Einfluss innerhalb der großen Parteien zu

suchen, als eine Drittpartei zu gründen. Die informellen

und basisdemokratischen Strukturen der Parteien begünsti-

gen diese Durchlässigkeit für neue Strömungen. Besonders

gut sichtbar war dies in den letzten Jahren bei der ultrakon-

servativen

Tea-Party-

Bewegung, die großen Einfluss bei

den Republikanern gewinnen konnte.

Conservatives gegen Liberals: Ideologische Grundfragen

So vielschichtig die beiden großen Parteien auch sind, gibt

es doch jeweils einen ideologischen Markenkern, der in

letzter Zeit auch immer stärker sichtbar wurde. Die große

Streitfrage der amerikanischen Politik ist seit jeher, über

wieviel Macht und Geld die zentrale Bundesregierung in

Washington, D.C. verfügen soll – im Kontrast zu den

Einzelstaaten, den Kommunen und den individuellen

Bürgern und Unternehmen.

In diesem Zusammenhang sehen sich die Republika-

ner als die Partei des

limited government

, die für niedri-

gere Steuern und Staatsausgaben sowie Deregulierung

der Wirtschaft steht. Diese Grundhaltung nennt man in

den USA

conservative

. Lediglich im Bereich der nationa-

len Sicherheit wollen die Republikaner den starken Staat

in Form eines hohen Verteidigungshaushalts. Seit den

1970er Jahren wurden die Republikaner auch zur Partei

der religiös-konservativen Werte und sind mehrheitlich

gegen Abtreibung, gleichgeschlechtliche Eheschließung

und striktere Waffengesetze. In der Einwanderungsfrage

ist die Partei gespalten, es hat sich jedoch eine Mehrheit

für einen strikten Umgang mit den illegalen Immigranten

aus Mexiko und Zentralamerika herausgebildet.

Die Demokraten hingegen befürworten einen umfas-

senderen Sozialstaat, aktiven Schutz der Bürger-, Frauen-