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Władysław Bartoszewski, der Brückenbauer

Einsichten und Perspektiven 1 | 16

Mitte Dezember kam Bartoszewski völlig geschwächt mit

hohem Fieber, einer Lungenentzündung, diversen Furun-

keln und Ekzemen sowie Erfrierungen in den „Kranken-

bau“, das Lagerkrankenhaus. Die Aufnahme erfolgte durch

Ärzte, die selbst Häftlinge waren. Einer dieser Ärzte,

Dr. Edward Nowak, entschied, dass er bleiben durfte. Zwei

Pfleger, die ebenfalls aus Warschau kamen, Witold Kazi-

mierczak und Stanisław Tyliński, kümmerten sich um ihn.

Erst sehr viel später verstand Bartoszewski die Beweggründe,

die Dr. Nowak veranlasst hatten ihm eine Chance zu

geben – er war jung, er sollte gerettet werden, um Zeuge zu

sein. 

5

Dr. Nowak gehörte dem geheimen Widerstandsnetz

im Konzentrationslager Auschwitz an, das insbesondere im

Lagerkrankenhaus tätig war. 

6

Später wurde er in das Kon-

zentrationslager Majdanek verlegt, wo er am 24. Dezember

1942 an Typhus starb. 

7

Dr. Nowaks Überlegungen sollten

schon bald aufgehen – am 8. April 1941 wurde Bartoszew-

ski zusammen mit neun anderen Häftlingen, drei aus War-

schau und sechs aus Oberschlesien, entlassen. Bartoszewski

hatte großes Glück, denn Entlassungen aus dem Konzen-

trationslager waren selten und willkürlich. 

8

5 Ebd. Bartoszewski (wie Anm. 3), S. 58.

6 Józef Garliński: Oświęcim walczący (Kämpfendes Auschwitz), London

1974, S. 45–63.

7 Ebd., S. 280.

8 Bartoszewski (wie Anm. 1), S. 56; Eugen Kogon, Der SS-Staat. Das System

der deutschen Konzentrationslager, München

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1979, S. 281–285.

Sein Gesundheitszustand war sehr schlecht. Hilfe kam

von Dr. Wacław Bernhardt, einem von einem Mithäft-

ling empfohlenen Arzt, der es verstand die notwendigen

Medikamente zu beschaffen, was im besetzten Warschau

nicht einfach war. Mit der Hilfe einer benachbarten Kran-

kenschwester, die ihn pflegte, gelang es Bartoszewski nach

mehreren Wochen, wieder einigermaßen auf die Beine zu

kommen.

Zeugnis ablegen

In dieser langen Zeit der Rekonvaleszenz besuchte ihn

Hanna Czaki regelmäßig. Sie war Pfadfinderin und – was

Bartoszewski damals nicht wusste, aber ahnte – tief einge-

bunden in die Widerstandsbewegung. Hanna kümmerte

sich um alltägliche Dinge. Aber sie sprachen auch darüber,

was an den verschiedenen Kriegsfronten und im General-

gouvernement geschah. Da sie sich seit langem kannten,

begann Bartoszewski ihr vertrauensvoll über das Erlebte

zu erzählen – seine Eltern wollte er damit nicht belasten.

Hanna notierte alles. Er selbst konnte nicht schreiben,

weil beide Hände verbunden waren. Hanna leitete sei-

nen Bericht an die entsprechenden Stellen im polnischen

Widerstand. Im August 1942 erschien im polnischen

Untergrund eine Broschüre unter dem Titel

„Oświęcim

Pamiętnik więźnia“

(Auschwitz. Erinnerungen eines Häft-

lings). Sie beruhte zum großen Teil auf Bartoszewskis

Bericht, wenngleich nicht ausschließlich, denn es

flossen

auch Aussagen anderer Zeugen ein. Um die Informations-

Registrierungsaufnahmen Władysław Bartoszewskis im Konzentrationslager Auschwitz

Foto: Archivsammlung des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau in Auschwitz/Oświęcim