Table of Contents Table of Contents
Previous Page  41 / 80 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 41 / 80 Next Page
Page Background

41

Władysław Bartoszewski, der Brückenbauer

Einsichten und Perspektiven 1 | 16

Als Bartoszewski 1986 den Friedenspreis des Deutschen

Buchhandels erhielt, sagte er in seiner Dankesrede: „Nie

wurde in Europa so viel wie heute vom Frieden gesprochen,

von der Notwendigkeit des Friedens, von der Verteidigung

des Friedens, von der Friedensliebe. Manchmal drängt sich

die Angst auf, dass in der Flut der Äußerungen und Dekla-

rationen, Beschwörungen und Parolen zu diesem Thema

der wahre – also der tiefere – Sinn des eigentlichen Begriffes

verloren geht. Es entsteht geradezu der Verdacht, dass es in

vielen Fällen mehr um eigene Ruhe und Bequemlichkeit

geht, als um den Frieden, und dass der Begriff des Friedens

ein Gegenstand der Manipulation geworden ist. Wir bedie-

nen uns seiner immer häufiger, aber wir denken immer

seltener über die Bedingungen nach, die zu erfüllen sind,

um Frieden zu einem gemeinsamen Begriff für die gesamte

zivilisierte Menschheit zu machen. Dabei hat doch einer

der größten deutschen Geister des 20. Jahrhunderts, Karl

Jaspers, hier in der Paulskirche in seiner Friedenspreisrede

drei Grundsätze formuliert, derenTiefe und Einfachheit im

Lichte heutiger Erfahrungen noch deutlicher sind als 1958:

‚Erstens: Kein äußerer Friede ist ohne den inneren Frieden

der Menschen zu halten. Zweitens: Friede ist allein durch

Freiheit. Drittens: Freiheit ist allein durch Wahrheit.‘“ 

21

Die Erfahrung zweier Diktaturen, die das 20. Jahrhun-

dert prägten, lehrt, dass jede Form von Hass nur neuen

Hass erzeugt und damit neue Aggressionen und Unfrieden.

An sich eine Binsenweisheit, und dennoch ein Problem,

das uns weiterhin beschäftigt. Es gehört Mut dazu, um sich

aus dieser Spirale zu befreien, Mut, das Verbindende zu

suchen und aufeinander zuzugehen. Insofern gehört zum

Frieden auch Mut.

21 Bartoszewski (wie Anm. 2), S. 115f.

Bundespräsident Richard von Weizsäcker gratuliert Władysław Bartoszewski zur Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels,

Frankfurt am Main, Oktober 1986

Foto: ullstein bild – dpa