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Władysław Bartoszewski, der Brückenbauer
Einsichten und Perspektiven 1 | 16
Als Bartoszewski 1986 den Friedenspreis des Deutschen
Buchhandels erhielt, sagte er in seiner Dankesrede: „Nie
wurde in Europa so viel wie heute vom Frieden gesprochen,
von der Notwendigkeit des Friedens, von der Verteidigung
des Friedens, von der Friedensliebe. Manchmal drängt sich
die Angst auf, dass in der Flut der Äußerungen und Dekla-
rationen, Beschwörungen und Parolen zu diesem Thema
der wahre – also der tiefere – Sinn des eigentlichen Begriffes
verloren geht. Es entsteht geradezu der Verdacht, dass es in
vielen Fällen mehr um eigene Ruhe und Bequemlichkeit
geht, als um den Frieden, und dass der Begriff des Friedens
ein Gegenstand der Manipulation geworden ist. Wir bedie-
nen uns seiner immer häufiger, aber wir denken immer
seltener über die Bedingungen nach, die zu erfüllen sind,
um Frieden zu einem gemeinsamen Begriff für die gesamte
zivilisierte Menschheit zu machen. Dabei hat doch einer
der größten deutschen Geister des 20. Jahrhunderts, Karl
Jaspers, hier in der Paulskirche in seiner Friedenspreisrede
drei Grundsätze formuliert, derenTiefe und Einfachheit im
Lichte heutiger Erfahrungen noch deutlicher sind als 1958:
‚Erstens: Kein äußerer Friede ist ohne den inneren Frieden
der Menschen zu halten. Zweitens: Friede ist allein durch
Freiheit. Drittens: Freiheit ist allein durch Wahrheit.‘“
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Die Erfahrung zweier Diktaturen, die das 20. Jahrhun-
dert prägten, lehrt, dass jede Form von Hass nur neuen
Hass erzeugt und damit neue Aggressionen und Unfrieden.
An sich eine Binsenweisheit, und dennoch ein Problem,
das uns weiterhin beschäftigt. Es gehört Mut dazu, um sich
aus dieser Spirale zu befreien, Mut, das Verbindende zu
suchen und aufeinander zuzugehen. Insofern gehört zum
Frieden auch Mut.
21 Bartoszewski (wie Anm. 2), S. 115f.
Bundespräsident Richard von Weizsäcker gratuliert Władysław Bartoszewski zur Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels,
Frankfurt am Main, Oktober 1986
Foto: ullstein bild – dpa