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Unterwegs – Perspektiven – Willkommen in Bayern: Integrationsprojekte für Ü-Klassen

Einsichten und Perspektiven 3 | 15

Das Jahr 2015 ist bestimmt durch die Flüchtlingskrise in

Europa. Menschen aus Krisengebieten wie Syrien, dem

Irak, Eritrea sowie anderen Ländern kommen in wirt-

schaftsstarke Länder Europas, allen voran Deutschland,

wo sie sich eine Chance auf eine sichere Zukunft erhof-

fen. Die Bundesregierung rechnet mit mehr als 800.000

Flüchtlingen. 

1

Seit Mitte August 2015 hat sich die Lage

gerade in Bayern verschärft: zwischen Mitte August und

Ende September erreichten allein 25.000 Flüchtlinge

München. 

2

Tausende von Asylbewerbern kommen jeden

Tag über die Türkei, Mazedonien, Serbien, Kroatien,

Ungarn und Österreich schließlich nach Bayern. Die

bayerische Landeshauptstadt wurde so zum Drehkreuz in

Deutschland, was weltweit ein großes Medienecho fand.

Die Erstaufnahmeeinrichtungen sind überfüllt; vielerorts

werden provisorische Zeltlager aufgebaut. Nur schleppend

lief die Weiterverteilung von München in andere Bundes-

länder an. Inzwischen wurden an der bayerisch-österrei-

chischen Grenze wieder Grenzkontrollen eingeführt, um

den Ansturm zu kontrollieren. Die Kommunen, Landrats-

ämter, die Regierungen der Länder und die Bundesregie-

rung – alle arbeiten auf Hochtouren, um die Ankunft der

Flüchtlinge zu organisieren. Ehrenamtliche Helfer stoßen

an ihre Leistungsgrenze, um die Geflüchteten zunächst

mit dem Notwendigsten zu versorgen. Neben den großen

politischen Fragen, den bloßen Zahlen und Berechnun-

gen, sowie den rechtlichen Voraussetzungen, ist nicht klar,

ob und wie lange die Menschen bleiben können. Gerade

junge Menschen und junge Familien hoffen auf eine neue

Zukunft.

In Deutschland gilt die Regelung, dass Flüchtlingskin-

der nach drei Monaten Aufenthalt in Deutschland schul-

pflichtig sind. Sie besuchen sogenannte „Willkommens-

klassen“. Das sind Klassen, in denen sie Deutsch lernen

und auch Informationen über die politische Ordnung, die

Gesellschaft und die Kultur der Bundesrepublik bekom-

men. Die Schüler bleiben ein bis zwei Jahre in solchen

Klassen, bis sie den Regelunterricht besuchen können.

In Bayern heißen diese Klassen „Ü-Klassen“ („

Ü“ steht

für Übergangsklasse). Zum neuen

Schuljahr kamen

auch zusätzliche Kinder an die bayerischen Schulen. In

ganz Bayern wird es nach aktuellem Stand (September

2015) voraussichtlich rund 470 Ü-Klassen geben. 

3

Der

„Knackpunkt“ für den Unterricht in diesen Klassen ist die

gemeinsame Sprache. Dabei sind die Lehrkräfte besonders

mit der Aufgabe gefordert, Schülerinnen und Schülern

vieler unterschiedlicher Nationalitäten Deutsch beizu-

bringen. Manche Kinder haben schon länger eine Schule

in ihrem Heimatland besucht, für andere ist es das erste

Mal, dass sie Unterricht erleben. Die Lehrer müssen selbst

erst lernen, mit diesen unterschiedlichen Voraussetzungen

umzugehen. Für Asylbewerber, die berufsschulpflichtig

sind, richtet Bayern circa 440 „Berufsintegrationsklassen“

ein, das sind rund 260 mehr als zu Beginn des Schuljahres

2014/2015. Dieses spezielle Angebot dauert zwei Jahre,

vermittelt den jungen Flüchtlingen die deutsche Sprache

und gibt ihnen einen Einblick in die Berufswelt. 

4

Der Umgang mit Migration und Integration wird auf

Jahre eine gesellschaftliche Kernaufgabe sein; viele Fragen

stellen sich akut, aber vor allem auch mittelfristig: Warum

kommen diese Menschen zu uns? Wie geht man an diese

gewaltige Integrationsaufgabe heran? Wie können Bürge-

rinnen und Bürger in der gegenwärtigen Situation mit-

helfen? Welche Auswirkungen wird der Zuzug so vieler

Menschen aus anderen Kulturkreisen mittel- und langfris-

tig für die Gesellschaft(en) haben?

Ein Beispiel für einen ersten Ansatz integrativer Pro-

jekte zeigen die interkulturellen Stadtspaziergänge:

„Auf der Suche und unterwegs: Interkulturelle Stadt-

spaziergänge“ wird von der Bayerischen Landeszentrale

für politische Bildungsarbeit und der Bayerischen Archi-

tektenkammer gefördert. Das Konzept möchte Schüler

der weiterführenden bayerischen Regelschulen mit denen

aus den Übergangsklassen zusammenbringen. Durch

einen ersten Kontakt bekommen die Flüchtlinge die

Chance ihre neue Umgebung zusammen mit Gleichaltri-

gen zu erkunden. Für die einheimischen Schüler ist es eine

kreative Aufgabe, sich zunächst mit sich selbst auseinan-

derzusetzen, den Ort, an dem sie leben, anderen näher-

zubringen und durch Gespräche mit den Geflüchteten

Neues zu erfahren. Die gemeinsamen Spaziergänge ergän-

zen für Ü-Klassen-Schüler das im Unterricht theoretisch

Gelernte um praktische und persönliche Erkenntnisse

durch Gleichaltrige.

1 Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (August 2015). Aktuelle Meldun-

gen. Aus:

http://www.bamf.de/SharedDocs/Meldungen/DE/2015/20150819-

BM-zur-Asylprognose.html?nn=1367522 [Stand: 31.08.2015]

2 Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (August 2015). Aktuelle Meldun-

gen. Aus:

http://www.bamf.de/SharedDocs/Meldungen/DE/2015/20150819-

BM-zur-Asylprognose.html?nn=1367522 [Stand: 31.08.2015]

3 Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und

Kunst (11.09.2015): Pressemitteilung 344/2015

4 Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und

Kunst (11.09.2015): Pressemitteilung 344/2015