Background Image
Table of Contents Table of Contents
Previous Page  32 / 112 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 32 / 112 Next Page
Page Background

2.4 / 8. – 10. Jahrgangsstufe: Positives Denken – Jeder ist seines Glückes Schmied

30

holen, die viel komplexer und subjektiv

situationsbezogener betrachtet werden

muss, als dass Sprichwörter und Redens-

arten es tun können. Dass sich für jeden

Wirklichkeit unterschiedlich darstellt, kann

mit Schülern in einer kleinen Übung aus-

probiert werden, indem man sie bittet, sich

etwas Konkretes vorzustellen (z. B. ein

Erdbeereis

) und dann die Vorstellungen

miteinander zu vergleichen.

Vereinfachung der komplexen Wirklich-

keit

Vor allem Sprichwörter mit handlungslei-

tendem Hintergrund sind durchaus ambiva-

lent zu betrachten. Einerseits lässt sich aus

ihnen sicherlich eine gewisse Lebensweis-

heit ableiten, andererseits neigen sie dazu,

die Komplexität von Wirklichkeit zu verein-

fachen. Leider ist in Zeiten von Globalisie-

rung und Finanzkrise das Glück nicht im-

mer mit dem Tüchtigen und „Jeder ist sei-

nes Glückes Schmied“ kann angesichts

vielfältiger gesellschaftlicher und wirtschaft-

licher Herausforderungen nur bedingt ein-

gelöst werden. Jeder weiß, dass es, um ein

gelungenes Leben zu führen, viele Fakto-

ren braucht – und hier ist die Selbstverant-

wortung zwar ein wichtiger Faktor, aber nur

einer.

Das P

OSITIVE

D

ENKEN

, der zentrale Inhalt

dieser Unterrichtseinheit, reduziert mit ei-

ner einfachen Methode und einfachen Bot-

schaften Wirklichkeit sträflich. Mit vermeint-

lichen Alltagsweisheiten vertraut, trauen

viele Menschen auch anderen einfachen

Botschaften und scheitern – langfristig –

damit, wenn sie sich zu sehr darauf einlas-

sen, d. h. solche Alltagsweisheiten ohne

Rekurs auf die individuelle Wirklichkeit ver-

absolutieren. Drei Fallbeispiele sollen in

der folgenden Unterrichtseinheit auf die

Gefahren des P

OSITIVEN

D

ENKENS

auf-

merksam machen.

P

OSITIVES

D

ENKEN

: schöpferische Kraft

des Denkens?

Das P

OSITIVE

D

ENKEN

hat seine Wurzeln in

der esoterischen

Neugeist-Bewegung

(

New

Thought Movement

) der zweiten Hälfte des

19. Jahrhunderts. Wesentlicher Inhalt die-

ser Bewegung, der dann auch in das Ge-

dankengut des P

OSITIVEN

D

ENKENS

einge-

flossen ist, ist die Vorstellung, dass der

Gedanke eine schöpferische Kraft hat, die

die reale Wirklichkeit verändern kann. Posi-

tive Gedanken ziehen demnach auch Posi-

tives nach sich, negative Gedanken Nega-

tives. Jeder Mensch habe außerdem das

Recht auf Wohlstand, Gesundheit und

Glück.

„Kern des Positiven Denkens ist die Idee,

dass Gedanken Macht über die Dinge ha-

ben und dass sich das, was der Mensch

sich zum Guten und zum Bösen vorstellt, in

der Praxis verwirklicht. Daher zielt das Po-

sitive Denken auf die Kontrolle von Be-

wusstseinsinhalten.“ (Hemminger 2005a:

S. 134). Dabei verspricht die Methode des

P

OSITIVEN

D

ENKENS

Einfluss auf alle

menschlichen Lebensbereiche. Mit positi-

ven Gedanken sei Heilung und Gesundheit

ebenso (schnell und nahezu mühelos) zu

erreichen wie Erfolg und Reichtum, Har-

monie und gelungene Beziehungen u. v. m.

Wesentliche Grundmuster des P

OSITIVEN

D

ENKENS

sind:

9

Autosuggestion (ich bin erfolgreich,

stark, schön, reich, der/die Größte,

…)

Verdrängung

von

Problemen

und/oder Misserfolgen

(partielle) Ausblendung der Realität

(Reduzierung auf die Wahrneh-

mung des Positiven im Leben; das

So-tun-als-ob: als ob es keine Prob-

leme gäbe, als ob man glücklich

wäre, …)

Vermeidung von Auseinandersetzung

(vgl. Scheich 1997: S. 107–111).

Namhafte Wegbereiter und Autoren des

P

OSITIVEN

D

ENKENS

sind:

Napoleon Hill

(1883–1970), Jurist, Redak-

teur, Herausgeber, Schriftsteller

Publikationen (in Auswahl)

The Law of Success

(

Das Gesetz

des Erfolges

)

The Ladder to Success

(

Die Leiter

zum Erfolg

)

9

Dabei muss durchaus zugestanden werden, dass

unterschiedliche Autoren diesen Grundmustern in

unterschiedlicher Ausprägung folgen.