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morgen im Elternsprechzimmer der Schule und redete

sich den Ärger von der Seele. Dies blieb nicht ohne

Wirkung auf den Physiklehrer. Er ärgerte sich über

denTon der Mutter und belehrte sie: „Sebastian müss-

te vielleicht mal besser im Unterricht aufpassen. Dann

versteht er die Aufgaben auch.“ Die Mutter beharrte

darauf, dass sie die Aufgaben dennoch für viel zu

schwer halte. Darauf der Lehrer ungehalten: „Die

Aufgabenstellung und die Benotung müssen Sie schon

mir überlassen. Schließlich habe ich Physik studiert.“

Damit war die Sprechstunde beendet – leider ohne

Ergebnis.Von einer Kommunikation beider Seiten, ge-

schweige denn einer Lösung des Problems war man

weit entfernt. Zugegeben: Das hier geschilderte Leh-

rer-Eltern-Gespräch ist etwas überspitzt dargestellt.

Aber so oder so ähnlich dürfte es wohl in jedem Fach

und in jeder Schulart schon einmal abgelaufen sein.

Damit Elternsprechstunden effektiver werden und

ihren Sinn erfüllen, müssen beide Seiten ihren Beitrag

leisten.Was können die Eltern dafür tun?

Subjektiver Blickwinkel

Eltern haben

eine ganz persönliche Beziehung zu ihrem Kind. Sie

beurteilen seine Fähigkeiten aus einem eigenen Blick-

winkel, der sehr subjektiv sein kann. So selbstverständ-

lich diese Einsicht ist, so angebracht ist es, dass sich El-

tern diesen Umstand bewusst machen. Das hilft ihnen,

mit einer anderen Einschätzung der Fähigkeiten ihres

Kindes, z.B. durch eine Lehrkraft, sachlicher umzuge-

hen.Wer sich über diese verschiedenen Blickwinkel

auf einen Menschen im Klaren ist, sieht das fremde

Urteil nicht als Angriff auf die eigene Person, sondern

als Gesprächsgrundlage für die Lösung eines Problems.

Sachlichkeit

Auch wenn es anders sein sollte: In

die Sprechstunde kommen Eltern meistens dann,

wenn die Leistungen absinken oder ein Konflikt mit

der Lehrkraft besteht. In beiden Fällen geht es um

emotionale Situationen, die sich in der Regel über ei-

nen längeren Zeitraum erstrecken. Eltern fühlen sich

oft ohnmächtig und hilflos gegenüber der Institution

Schule – personifiziert im einzelnen Lehrer –, der ih-

nen als übermächtigeVerkörperung der Schule entge-

gentritt. Die Hilflosigkeit schlägt aber nicht selten um

in Aggression und Ärger, die sich in der Sprechstunde

„entladen“.Wenn man mit solch angestauten Emotio-

nen in ein Gespräch geht, kann es leicht passieren, dass

der Lehrer „zurückschlägt“, sich auf seine Amts- und

Fachautorität zurückzieht.

Respektvoller Umgang

So wie sich El-

tern als „Experten“ für den häuslichen Bereich emp-

finden, sollten sie die Lehrerinnen und Lehrer als „Ex-

„Nun reicht es!“

Die Eltern-

sprechstunde

empört sich Sebastians Mutter

und knallt die Physikschulaufgabe auf denTisch.Wie-

der hat der Sprössling nur eine knappeVier geschafft.

Dabei hatte er diesmal wirklich viel geübt und gelernt!

Aber bei den schweren Aufgaben und einer so stren-

gen Benotung konnte er ja nie auf einen grünen

Zweig kommen. Das musste sie jetzt mal dem Lehrer

persönlich sagen. Mit einer ziemlichenWut im Bauch

saß Sebastians Mutter am darauf folgenden Mittwoch-

Wenn Lehrer Eltern in die Sprechstunde

bitten, geht es meist um Unangenehmes.

Allzu oft verhindern eingefahrene

Rituale und Strategien das eigentliche

Ziel – eine erfolgreiche Zusammen-

arbeit.Doch es geht auch anders.

fotos: gert krautbauer

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