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Probleme

und···

Wersoll

das

bezahlen?

Der Fall:

Frau Holle schüt–

telt die Betten. Dicht fal–

len die Flocken, zum e r–

stenmal in diesem Winter.

Kaum ist die Pause aus–

gebrochen, stürmen die

Schüler den Hof, und es

beginnt eine wilde Schnee–

ballschlacht Lehrer Rei–

mann schreitet ein und

verbietet das Getümme l.

Denn er weiß : Steine und

Kies vermischen sich le icht

mit dem Pappschnee, und

ein solches Geschoß kann

Unheil stiften. Aber trotz

des Verbots läßt sich die

weiße Schlacht nu r schwer

e indämmen. Hat sich Herr

Reimann an einer Ecke

durchgesetzt, fängt anders–

wo das Werfen wieder an.

Und da passiert es auch

schon : Ein Fußgänger auf

de r Straße wird von ei–

nem Schneeball getroffen,

seine Brille zersplittert,

das Auge ist verletzt. Ein

paar Wochen später prä–

sentiert er dem Lehrer ei–

ne Rechnung für den Er–

satz des Schadens, der ihm

entstanden ist, wei l die

Schüler angebl ich nicht

richtig beaufsichtigt wur–

den. Muß Lehrer Reimann

jetzt zahlen?

Das Recht:

Lehrer Rei–

mann braucht die Scha–

denersatz-Forderung des

getroffenen

Fußgängers

nicht zu fürchten . Selbst

wenn er seine Aufsichts–

pflicht verletzt hätte und

z. B. dem Treiben der Kin-

der tatenlos zugesehen

hätte, kann sich der Ge–

schädigte nicht unmittel–

bar an ihn halten. Er muß

seine Forderung vielmeh r

gegen den Staat richten

und notfalls diesen ver–

klagen. Denn: Lehrer Rei–

mann ist Beamter, und der

Staat haftet für seine Be–

amten. Der Staat kann sich

allerdings, wenn er den

schuldhaft von einem Be–

amten verursachten Scha–

den gutgemacht hat, sei–

nerseits wieder an dem

Beamten schadlos halten

und Ersatz seiner Ausla–

gen fordern .

Ein solcher "Rückgriff"

ist aber nur zulässig, wenn

der Lehrer den Schaden

grob fahrlässig, also leicht–

sinnig und unter Mißach–

tung sogar der einfachsten

Verhaltensregeln herbei–

geführt hat. Selbstver–

ständlich auch

immer

dann, wenn der Beamte

gar vorsätzlich, also be–

wußt und gewollt falsch

gehandelt hat. So etwas

kommt in der Praxis aber

kaum vor. Bei dem oben

geschilderten Fall liegt

nichts dergleichen vor.

Lehrer Reimann hat wirk–

lich alles versucht, um die

Schneeballschlacht zu ver–

hindern. Mehr kann man

von ihm nicht verlangen.

Da der Beamte pflichtge–

mäß handelte, ist der ver–

letzte Fußgänger mit sei–

ner Schadenersatzforde-

Wer hat recht?

Fälle aus dem Leben

der Schule

rungnichtnurbei ihm,

sondern auch bei der

Schule und beim Staat an

der falschen Adresse. Es

bleibt ihm nichts anderes

übrig, als sich an den

Schüler zu halten, der

trotz des Verbots das Un–

glücksgeschoß abfeuerte.

Hoffentlich haben seine

Eltern eine private Haft–

pflichtversicherung abge–

schlossen, die zuletzt für

den angerichteten Scha–

den geradesteht

Ja, wenn

die Musik

nicht wär'

Der Fall:

Hans-Peter

wohnt bei der Tante auf

dem land und besucht

dort ein Musisches Gym–

nasium. Seine Eltern ha–

ben gerade diese Spezial–

schule für ihren Sohn aus–

gesucht, weil Musik dort

nicht nur normales Unter–

richtsfach ist, sondern so–

gar Vorrückungsfach, d . h.

zu den Schwerpunkten

der Ausbildung gehört.

leider quittiert nach eini–

gen Monaten der Musik–

lehrer der Schule aus ge–

sundheitlichen Gründen

seinen Dienst. Weit und

breit ist kein Nachfolger

in Sicht. Schule, Elternbei–

rat und Ministerium be–

mühen sich um Ersatz.

Vergeb lich. Weder ein

hauptamtlicher noch ein

nebenberuflicher Lehrer

läßt sich finden, der die

freie Stelle antreten könn–

te. Das Fach Musik, an

dem Hans-Peter und sei–

nen Eltern so viel liegt,

fällt flach. Hans-Peters El–

tern sind ganz und gar

nicht einverstanden. Sie

meinen, der Staat habe

dafür zu sorgen, daß der

Unterricht stattfindet. Das

gelte für das flache land

doch genauso wie für die

Stadt. Darauf bestehe ein

Anrecht! Oder? Am lieb–

sten möchten sie den

Staat verklagen.

Das Recht:

Den Gang

zum Kadi, den sollten

Hans-Peters Eltern besser

nicht antreten. Ihre Klage

hat nämlich wenig Aus–

sicht auf Erfolg - auch

wenn dies auf den ersten

Blick gar nicht so aus–

schaut. Natürlich hat jeder

Schüler das Recht, ent–

sprechend dem für die

Schulart geltenden Lehr–

plan unter(ichtet zu wer–

den. Natürlich hat die

Schule und hat der Staat

die Pflicht, diesen An–

spruch zu verwirklichen.

Allerdings hört der An–

spruch dort auf, wo sich

keine Möglichkeit mehr

findet, die Unterrichtsfä–

cher mit Lehrern zu beset–

zen. Wenn trotz aller An–

strengungen keine Fach–

kraft gefunden werden

kann, sind Stundenkür–

zungen ebenso unver–

meidlich wie juristisch un–

anfechtbar. Im äußersten

Notfall "darf" der Unter–

richt sogar ganz ausfallen.

Freilich bleibt auf der an–

deren Seite die Pflicht des

Staates bestehen, uner–

müdlich alles in seiner

Macht Stehende zu tun,

um die Lücke möglichst

bald zu schließen. Bis da–

hin aber werden Hans–

Peters Eltern Geduld ha–

ben müssen.

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