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Die ersten Hinweise zei–
gen sich oft schon im Vor–
schulalter.
Legastheniker
fangen z. B. erst spät mit
dem Laufen an, bewegen
sich besonders tolpatschig,
stolpern über die eigenen
Füße, treffen beim Eingie–
ßen die Tasse nicht, wurden
oft zum Rechtshänder um–
erzogen. Sie gelten als rede–
faul, es hapert mit der rich-
so weit, daß den Kindern,
die in diesem Teufelskreis
stecken, geholfen werden
kann. ln Bayern wurden im
Jahre 1971 3900 Fälle be–
treut, über 17 000 Fälle wa–
ren es im letzten Schuljahr
1973/74.
Die Hilfe beginnt mit der
sorgfältigen
Beobachtung
aller Kinder im ersten Schul–
jahr durch den Lehrer. Im
Diktat und in der Nach–
schrift haben die Kleinen
"Schonzeit": Die Arbeiten
werden nicht benotet. Schü–
ler, die sich besonders
schwertun und zurückblei–
ben, faßt der Lehrer in
"Lerngruppen" zusammen
und kümmert sich beson–
ders um sie.
Nach dem ersten ·Schul–
halbjahr helfen "Förder-
asthenie vorliegt oder eine
andere Störung. Auch ältere
Schüler können natürlich
diese
Prüfung machen,
wenn Eltern und Klaßleiter
es wünschen.
Schüler, bei denen nun
eine "isolierte Lese-Recht–
schreibschwäche"
festge–
stell.t wurde, erhalten in
Förderkursen mit höchstens
acht Teilnehmern einen be–
sonderen Unterricht. Solche
"Förderkurse" können ein–
gerichtet werden, wenn an
einer Grundschule aus der
zweiten, dritten und vierten
Klasse mindestens fünf ein–
deutige Legastheniefälle be–
kannt sind.
ln der Schule gelten für
die legasthenen Kinder ei–
gene Gesetze:
e
Sobald sie Förderkurse
An der Leseuhr: Legastheniker bauen aus Buchstaben und
Silben Wörter richtig zusammen und zerlegen sie wieder.
tigen Aussprache und sie
sind unfähig, bestimmte
Tonhöhen zu hören. Oft
. liegen Geburtskomplikatio–
nen vor.
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Erst seit ungefähr 20 Jah–
ren beschäftigen sich Wis–
senschaftler und Pädagogen
mit diesem komplizierten
Problem.
Noch immer sind die Ur- ·
sachen der Legasthenie un–
klar. Man nimmt an, daß
Entwicklungsstörungen
in
den Gehirnzellen und im
Nervensystem eine Rolle
spielen. Aber wir sind heute
stunden" weiter. Sie wer–
den eigens eingerichtet und
ergänzen den Unterricht.
Wer am Ende der ersten
Klasse noch immer mit auf–
fälligen Lese- und Recht-
Die Hilfe
beginnt in der
ersten Klasse
Schreibschwierigkeiten zu
kämpfen 'hat, macht - wenn
die Eltern damit einverstan–
den sind - einen Test mit.
Er soll endgültig Klarheit
bringen, ob wirklid, Leg-
besuchen, werden sie von
den allgemeinen Probe–
arbeiten im Rechtschreiben
befreit (An trag der EItern!).
e
Für die Deutschnote zäh–
len die Leistungen im Le–
sen und Rechtschreiben
nicht, auch in anderen Fä–
chern wird auf Legastheni–
ker Rücksicht genommen.
e
Schüler der fünften und
sechsten Klasse Hauptschu–
le dürfen wegen Legasthe–
nie nicht vom Vorrücken
ausgeschlossen werden.
e
Wer an einem Förder–
kurs für Legastheniker teil-
genommen hat, kann selbst–
verständlich auch in das
Gymnasium oder in die
Realschule übertreten, wenn
seine sonstigen Leistungen
den Anforderungen des
Aufnahmeverfahrens ent–
sprechen.
e
Auch in der fünften und
sechsten Klasse des Gym–
nasiums nimmt man auf
die Legastheniker noch
Rücksicht.
Allerdings: Mit dem Er–
lernen neuer Sprachen am
Gymnasium fangen oft die
alten, kaum überwundenen
Schwierigkeiten wieder an .
Deshalb ist als wei terfüh–
render Schultyp für Leg–
astheniker die Realschule
oft besser geeignet.
Legasthenie läßt sich heu–
te erfolgreich behandeln.
Das beweisen die Ergebnis–
se internationaler Leistungs–
tests : ln den USA holten
Legastheniker während ei–
nem Jahr systematischer
Förderung einen Rückstand
Kinderleid
-
Mit Erfolg
behandelt
von 15 Monaten auf. Bei
einer Gruppe in der Bun–
desrepublik sanken im Be–
handlungszeitraum die Le–
se- und Rechtschreibfehler
um die Hälfte. Die Schüler
lernten, besser und schnel–
ler zu lesen. Ein Beispiel in
der Schweiz zeigt, daß 50%
der behandelten Schüler
den Anschluß an die Klasse
fanden . ln Österreich konn–
te nachgewiesen werden,
daß eine Betreuung von
zwei Jahren in den meisten
Fällen genügt. Viele Schüler
in den Förderkursen waren
schon nach einem Jahr so
weit, im regulären Unter–
richt wieder mitzumacben.
Das alles zeigt: ln den
letzten Jahren ist das Pro–
blem der Legasthenie nicht
nur immer besser erkannt
und durchleuchtet worden;
es wurden auch Wege ge–
funden, ihm wirksam zu be–
gegnen. Aufgabe der Eitern
ist es, ihr Kind zu beobach–
ten, mögliche Anzeichen
richtig zu verstehen und
das Gespräch mit dem Leh–
rer zu suchen. Aber eines
geht nicht: Dem Kind seine
Legasthenie mit "Härte"
austreiben.
e
...
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