Table of Contents Table of Contents
Previous Page  18 / 20 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 18 / 20 Next Page
Page Background

duktion auf ein Minimum reduziert

und die Versorgung der Menschen mit

dem Nötigsten in keiner Weise sicher–

gestellt. Ich meine, da kann man im

Rückblick nur darüber staunen, mit

welcher Energie damals innerhalb we–

niger Jahre der Wiederaufbau ins

Werk gesetzt wurde. Das war gewiß

mehr als für die Nachkriegsgeschichte.

Bedauern Sie das?

Nein, da würde man mich mißverste–

hen. Die kritische Auseina tjdersetzung

mit dem Dritten Reich ist weiterhin not–

wendig . Dieser Abschnitt ist Teil der

deutschen Geschichte und darf nicht

mit Begriffen wie 'Betriebsunfall' ver-

Das Dritte Reich

darf nicht mit

Begriffen wie

'Betriebsunfall' ver–

harmlost werden.

eine ungeheure Leistung. Verglichen

damit sind die Probleme, die wir nach

der Wiedervereinigung haben und

die im einzelnen sicher auch große

Anstrengungen erfordern, doch eher

gering .

Kultusminister Zehehnair hat die Schu–

len aufgefordert, sich mit dem Thema

'50 Jahre Kriegsende' auseinanderzu–

setzen. Wie beurteilen Sie die Einstel–

lung der jungen Generation zu diesem

Abschnitt der deutschen Geschichte?

Ich bemerke an meinen Studenten im–

mer wieder, daß sie sich gerade im

Bereich der NS-Zeit meist gut ausken–

nen. Sie befassen sich mit diesem Zeit–

raum jedoch ruhiger und abgeklärter,

cils das noch zu meiner Schul- und Stu–

dienzeit in den 50er, 60er Jahren der

Fall war. Man merkt einfach, daß die

Ereignisse ferner gerückt, daß sie im

wahrsten Sinne des Wortes Geschich–

te geworden sind . Deswegen nun zu

behaupten - wie es nicht selten ge–

schieht -, man würde diese 12 Jahre

verdrängen, ist schlichtweg falsch.

Eher gilt das Gegenteil. Für die Ge–

schichte des Dritten Reiches interessie- ·

ren sich junge Leute oft wesentlich

18

SCHULE

aktuell

herrnlost werden . Allerdings sollte

man die Geschichte des 20. Jahrhun–

derts auch nicht nur aus dem Blickwin–

kel der NS-Zeit sehen, sondern sich

genauso mit der Zeit davor und da–

nach befassen :

Auf welche.Zeitabschnitte konzentriert

sich Ihr Institut besonders?

Unsere Forschungen erstrecken sich

auf den gesamten Zeitraum seit dem

Ersten Weltkrieg. Das heißt, wir be–

schäftigen uns sowohl mit der Weima–

rer Republik und der NS-Zeit als auch

mit der Geschichte der Bundesrepu–

blik und der DDR, ebenso aber mit

der Geschichte anderer europäischer

Staaten .

·

Und wie sehen Ihre Aufgaben im ein–

zelnen aus?

ln erster Linie sind wir ein Forschungs–

institut, in zweiter eine Einrichtung,

die seit 1949 kontinuierlich ein um-

Dasln~für

ZeitgeSchichte,

das Professor

Möller leitet,

verfügt unter

anderem über

ein umfang·

reiches

Archiv.

fangreiches Archiv und eine große Bi–

bliothek aufgebaut hat, beide übri–

gens für jedermann benutzbar. Wir

veröffentlichen Quellen und Forschungs–

ergebnisse in Buchreihen und in den

'Vierteljahresheften für Zeitgeschich–

te', aber auch in Darstellungen, die

sich an alle historisch interessierten Le–

ser richten. Erwähnt sei hier vor allem

die auf 30 Bände angelegte Ta–

schenbuchreihe 'Deutsche Geschichte

der neuesten Zeit' .

Erstellen Sie darüber hinaus nicht

auch Gutachten?

Ja, unsere Auskunfts- und Gutachter–

tätigkeit nimmt sogar breiten Raum

ein. Das können umfangreiche Studi–

en sein wie das Gutachten für den

Frankfurter Auschwitz-Prozeß oder ei–

ne kürzere Stellungnahme für den

Bundesgerichtshof zur Verantwortung

der Richter in der ehemaligen DDR.

Gerade in solchen Fällen dürften Ihre

.

Resultate nicht ohne politische Brisanz

sein?

Das ist richtig und schneidet ein

grundsätzliches Problem der zeitge–

schichtlichen Forschung an . Da sie im–

mer in der Nähe zu den Ereignissen

steht und ihre Ergebnisse einerseits le–

bende Zeitgenossen betreffen, ande–

rerseits in den politischen Alltag hin–

einwirken können, hat der Historiker

hier eine ganz besondere Verantwor–

tung . Zugleich bietet sich dadurch je–

doch die Chance, durch eine wissen–

schaftlich fundierte Interpretation der

gegenwartsnahen Vergangenheit früh–

zeitig der Legendenbildung entgegen–

zuwirken . Denn wie das Beispiel der

Dolchstoßlegende nach dem Ersten

Weltkrieg zeigt, hat so etwas oft fata–

le Folgen.

0