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"Die

Natur

wird

uns

zum

Umdenken

zwingen.u

18 SCHULE

aktuell

re Rinder sind heute weitge–

hend Kettensklaven. Es gibt

doch kaum mehr glückli–

ches Vieh. Fortschritt ist für

mich hier ein fürchterliches

Wort; es bedeutet in diesem

Zusammenhang: Wegge–

hen von gesunden, von na- –

türliehen Lebensbedingun–

gen. Aber ich bin mir sicher,

daß uns die Natur zum Um–

denken zwingen wird.

Wie meinen Sie das?

Sehen Sie, im Gegensatz zu

den -eigentlich genialen -

Menschen in Neuguinea,

die wir in unserer Hybris

sogar als primitiv bezeich–

nen, leben wir nicht im Ein–

klang mit der Natur. Wir

manipulieren die Natur und

das Leben, und das wird

sich rächen. Anzeichen dafür sind be–

reits feststellbar, denken Sie etwa an

die Wasserqualität, denken Sie an die

Versehrnutzung der Luft, denken Sie

an die Zerstörung der Naturland–

schaften - das ist nur die Spitze des

Eisberges. Wir müssen umdenken ler–

nen; und, glauben Sie mir, die Natur

wird uns dazu bringen, indem sie uns

sehr weh tut.

Geschieht also zu wenig im Bereich

Naturschutz?

Viel zuwenig. Aber man muß ande–

rerseits auch sehen, daß es positive

Ansätze gibt. Als 1970 vom Europa–

parlament in Straßburg das "Europäi–

·sche Naturschutzjahr" proklamiert

wurde, war das Wort Umweltschutz

doch fast noch ein Fremdwort; hier

hat sich Grundlegendes geändert -

wir haben heute Umweltmi–

nisterien und bekannte Um–

weltschutzorganisationen,

die sich weltweit engagie–

ren. Es tut sich also was, in–

sofern bin und bleibe ich

Optimist. · Freilich muß ich

auch mit Trauer und Kum–

mer erkennen, daß die Na–

turzerstörung noch immer

rascher fortschreitet als das

Naturrecycling.

Gilt diese Feststellung auch

für Deutschland?

Es gibt auch vor unserer

Haustür viele Probleme. Für

die Fernsehsendung "Wie

retten wir unsere Zukunft -

Naturschutz in Deutsch–

land" bin ich einmal durch

die deutschen Lande gezo–

gen und habe jede Menge

Beispiele kennengelernt, wo etwas für

die Natur getan werden muß, wo Gott

sei Dank aber auch etwas getan wird.

Sind die Menschen bei uns zu wenig

sensibel für die Natur?

Das würde ich nicht sagen. Ich glau–

be, wir wissen alle, daß wir nur mit

der Natur und nicht gegen die Natur

leben können. Machen wir sie kaputt,

dann leiden wir selbst darunter - in

wirtschaftlicher, physischer und psy–

chischer Hinsicht. Wir schätzen z. B.

auch die Schönheit der Natur- idylli–

sche Plätze sind heute sehr gefragt.

Und da liegt das Problem: Mit unse–

ren fahrbaren Untersätzen sind wir in

kürzester Zeit an jedem beliebigen

Ort, und mit dem Asphalt-Spinnen–

netz haben wir die Natur im Griff. Lei–

der machen wir da - nicht einmal in

böser Absicht, sondern aus Unwis–

senheit- vieles kaputt.

Was kann man dagegen tun?

Ich denke, wir Menschen können

nicht ohne Ordnungshüter leben. So

wie wir Ordnungshüter für unsere

Siedlungen, unsere Städte haben, so

brauchen wir sie für die Natur. Man

kann heute vom Durchschnittsbürger

nicht erwarten, daß er genau weiß,

welchen Schaden er anrichtet, wenn

er ins Blaue fährt, zum Angeln, zum

Sonnen oder zum Spazierengehen.

Ich plädiere daher für geschulte

hquptberufliche Ordnungshüter in

der Natur. Diese Leute müssen nicht

den Genuß des Bürgers schmälern;

im Gegenteil, sie können ihn berei–

chern, indem sie erklären, Verständ–

nis wecken und das Erhaltenswerte

bewahren.

Herr Sielmann, an welchem Projekt

arbeiten Sie derzeit?

Ich ziehe Bilanz. ln einer Sendereihe,

die voraussichtlich noch in diesem

Herbst anläuft, will ich zeigen, wie

sich in wenigen Jahrzehnten die Na–

tur verändert hat und was wir tun

müssen, um die noch verbliebene Na–

turlandschaft zu erhalten.

Wenn man sich so lange Zeit nur der

Natur widmet wie Sie, verliert man

da eigentlich den Kontakt zu den

Menschen?

Nein, ganz und gar nicht. Meine Ar–

beit ist ja für Menschen gedacht, und

ich brauche ihre Rückmeldung. Der

Kontakt zu anderen ist die Basis mei–

nes Berufs; nur wenn ich weiß, wie

ich bei alt und jung ankomme, kann

ich erfolgreich sein.

Sie haben ein Leben lang in und mit

der Natur gelebt. Was bleibt?

Staunen und Bewunderung!

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