meinsame Europa die einzige Lösung
ist, um in den großen politischen und
wirtschaftlichen Räumen der Zukunft
miteinander vernünftig umgehen zu
können. Denken Sie nur an das mili–
tärische Potential, das überflüssig
wird und das sich in private Investi–
tionen ummünzen läßt. Ich bin ein be–
geisterter Europäer!
Manche befürchten, daß mit dem
Binnenmarkt auch viele Arbeitskräfte
aus den europäischen Ländern zu
uns kommen.
Einspruch! Die Freizügigkeit bei der
Arbeitsplatzwahl gibt es längst, und
~.war
von Portugal bis Griechenland.
Uberraschen muß nur, daß wir heute
in der Bundesrepublik Deutschland
weniger Arbeitskräfte aus den EG–
Ländern haben als noch vor
10
Jah–
ren. Die Ängste, daß durch eine eu–
ropäische Wenderbewegung bei uns
die Arbeitsplätze knapper werden,
sind vollkommen unbegründet.
Besteht die Gefahr, daß unser be–
währtes duales System der berufli–
chen Ausbildung im gemeinsamen
Europa unter die Räder kommt?
Das glaube ich ganz und gar nicht.
Natürlich wird es aber gewisse An–
gleichungen geben müssen, denn es
ist sicher nicht in Ordnung, daß zum
Beispiel die Ausbildung zum Meister
bei uns insgesamt etwa
10
Jahre dau–
ert und in vergleichbaren Ländern
wie Frankreich oder Belgien nur fünf
bis sechs.
Verlangt das ·gemeinsame Europa
neue Qualifikationen?
Ja, vor allem heißt es Sprachen ler–
nen. Unsere Jugend muß in Zukunft
dreisprachig sein, also zusätzlich zu
Deutsch und Englisch noch Franzö–
sisch, Italienisch oder auch Russisch
beherrschen. Hinzu kommen selbst-
"Die Arbeits–
losen sind
beileibe keine
Drückeberger:'
verständlich- wie schon bisher- die
beruflichen Qualifikationen.
Welche Tips können Sie ganz allge–
mein jungen Leuten geben, die vor
der Berufswahl stehen?
Nun, sie sollen zuallererst die Ange–
bote der Berufsberatung nutzen und
selbstverständlich ins BIZ, ins Berufs–
informationszentrum des Arbeitsam–
tes, gehen und sich dort mit Hilfe der
vorhandenen Medien informieren,
welche Berufe für sie in Frage kom–
men. Dann halte ich auch etwas von
der sogenannten Schnupperlehre,
denn dadurch bekommt man einen
unmittelbaren Eindruck von einer Tä–
tigkeit oder einem Betrieb. Einen spe–
ziellen Tip, welchen Beruf jemand er–
lernen soll, möchte ich jedoch nicht
geben, das habe ich nicht einmal bei
meinen Söhnen getan.
Haben Sie zum Thema "Berufsausbil–
dung" auch Anregungen für die Ar–
beitgeber?
"Immer noch
brechen zu viele
iunge Leute .
ihre Ausbildung
ab:'
Die Betriebe müssen zusammen mit
den Berufsberatern noch einiges tun,
um die Zahl derjenigen zu reduzie–
ren, die vorzeitig ihre Ausbildung ab–
brechen; immerhin sind das ja in der
Bundesrepublik um die
100000
pro
Jahr. Notwendig ist hier, daß der jun–
ge Mensch frühzeitig erfährt, was al–
les zur Ausbildung gehört- auch die
Belastungen. Für wichtig halte ich da–
neben, daß man sich dem Auszubil–
denden zuwendet, ihm Zusammen–
hänge erklärt. Ein Schlosserlehrling
z. B. muß .verstehen, daß er den
Grundlehrgang am Schraubstock
braucht, um später vernünftig mit ei–
ner komplizierten Maschine umge–
hen zu können. Es gi lt also, noch mehr
Aufklärungsarbeit zu leisten, damit
er die Feile nicht in die Ecke wirft.
Nach über acht Jahren als Präsident
der Bundesanstalt für Arbeit schei–
den Sie nun zu Beginn dieses Jahres
aus Ihrem Amt aus. Welches Resü–
mee können Sie ziehen?
Es gab harte Zeiten, aber wir haben
sie mit großem Einsatz gemeistert. Be–
sonders stolz bin ich darauf, daß ich
eine Ausweitung der aktiven Arbeits–
marktpolitik erreichen konnte; rund
40
Prozent der Ausgaben der Bundes–
anstalt- etwa doppelt soviel wie frü–
her- fließen in Arbeitsbeschaffungs–
maßnahmen, Umschulung, Kurzar–
beitergeld und was immer dazuge–
hört. Politisch gesehen bedeutete für
mich das Jahr 1989 die Erfüllung eines
Traumes: die Wiedervereinigung
Deutschlands und damit der Wegfall
der Spaltung Europas. Und wenn uns
auch schwierige Jahre bevorstehen,
so habe ich dennoch gar keine Sorge,
daßwir da nicht durchkommen.
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