181 Erziehungs-, Jugend- und Fami–
lienberatungsstellen, so die offizielle
Bezeichnung, gibt es derzeit in Bay–
ern; zu finden sind sie in nahezu allen
Landkreisen und kreisfreien Städten.
Ihre Aufgabe ist es, Eitern und Ju–
gendliche in Erziehungs- und Ent–
wicklungsfragen ·fachlich zu beraten
und gegebenenfalls therapeutische
Maßnahmen einzuleiten. Daneben
stellt auch die Aufklärungsarbeit in
der Öffentlichkeit einen wichtigen
Faktor dar, lassen sich doch durch
ein bewußtes und überlegtes Verhal–
ten in der Erziehung von vornherein
gravierende Fehler vermeiden.
Beschäftigt sind in solchen Institu–
tionen vor allem Psychologen und
Sozialpädagogen, aber ebenso Kin–
der- und Jugendtherapeuten, Logo-
ABSOLUTE VERTRAULICHKEIT
päden oder Erzieher. Zur Klärung
medizinischer Fragen steht ein Arzt
zur Verfügung, und enge Kontakte zu
Juristen und Theologen garantieren,
daß auch rechtliche und ethische Pro–
bleme besprochen und geklärt wer–
den können. Oberstes Gebot für alle
Berater ist dabei die Wahrung der
Vertraulichkeit, das heißt, wenngleich
man im Team arbeitet und Informa–
tionen untereinander austauscht, so
sind nach außen alle zu absoluter
Verschwiegenheit verpflichtet.
Getragen werden die Beratungs–
stellen von freien Wohlfahrtsverbän–
den, etwa der Caritas, dem Diakoni–
schen Werk oder der Arbeiterwohl–
fahrt, sowie von Landkreisen und
kreisfreien Städten. Selbstverständ–
lich unterstützt der Freistaat Bayern
diese Form der· Erziehungshilfe, die
im Kinder- und Jugendhilfegesetz
rechtlich verankert ist, durch Zu–
schüsse. Für den Bürger, der diesen
Service in Anspruch nimmt, entstehen
in der Regel keine Kosten.
Welche Leute wenden sich nun an
solche Einrichtungen? "Zuallererst
sind es Menschen wie Sie und ich",
so Diplompsychologe Salzwedel, der
seit nunmehr 20 Jahren · in Bayreuth
tätig ist. "Auf keinen Fall suchen bei
uns, wie man vielleicht vermuten
könnte, nur bestimmte Kreise oder
Schichten Rat. Andererseits spüren
wir natürlich gesellschaftliche Verän–
derungen wie die steigende Zahl der
Alleinerziehenden oder die hohe
Scheidungsrate ganz deutlich."
Einer der häufigsten Gründe, warum
sich Eitern zu einem Gespräch an-
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aktuell
melden, sind schulische Schwier_ig–
keiten der Kinder. Angeführt werden
daneben Streitigkeiten in der Familie,
eine plötzliche Veränderung in der
Verhaltensweise des Sohnes bzw. der
Tochter oder einfach die Unsicher–
heit, ob die Entwicklung eines Klein–
kindes normal verläuft. Rat holen sich
durchaus auch Jugendliche, die sich
zum Beispiel mit ihren Eitern nicht
mehr verstehen. Und manchmal
kommt es vor, daß besorgte Nach-
barn sich melden, weil sie auf einen
Drogenfall in der näheren Umge–
bung oder die Mißhandlung von Kin–
dern aufmerksam machen möchten.
Die Bitte um einen Gesprächster–
min erfolgt grundsätzlich aus eige–
nem Antrieb, also freiwillig; wenn–
gleich der Anstoß dazu häufig von
einer Erzieherin, einem Lehrer oder
einem Kinderarzt ausgeht. Das An–
meldeverfahren selbst ist unkompli–
ziert- ein Anruf genügt. ln der Regel
erhält man relativ schnell einen Ter–
min, wobei in dringenden Fällen na–
türlich nicht gewartet werden muß.
"Wir stellen dabei immer wieder
fest", erklären die Mitarbeiter der
Boyreuther Beratungsstelle überein–
stimmend, "daß viele ihre Probleme
vollkommen falsch einschätzen." Die
Erfahrung zeigt, daß sich hinter
schlechten Noten oder Aggressionen
nicht selten familiäre Spannungen
verbergen, Schulangst oder Schul–
verweigerung oft ein falsches Verhal-
Die Beratungsstellen
überprüfen auch, worauf die
Schwierigkeiten beim Lesen
und Schreiben beruhen.