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err Franke, derzeit sind etwa
3 Millionen Bundesbürger ar–
beitslos. Worauf muß man die–
se hohe Zahl zurückführen?
ln den neuen Bundesländern liegen
die Gründe dafür klar auf der Hand:
Die überholten Strukturen in der
Wirtschaft, die sich in 57 Jahren Dik–
tatur unter den Nazis und Kommuni–
sten herausgebildet haben, können
im Wettbewerb mit den internationa–
len Industriegiganten einfach nicht
bestehen. ln den alten Ländern muß
man in diesem Zusammenhang die
hohe Zahl der Zuwanderungen -
denken Sie an die Aus- und Über–
siedler -, die zunehmende Berufstä–
tigkeit der Frauen und die allgemei–
nen wirtschaftlichen und gesellschaft–
lichen Veränderungen nennen. Diese
Faktoren führten hier zum Beispiel
dazu, daß wir im letzten Jahr im
Schnitt rund 1,8 Millionen Arbeitslose
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aktuell
hatten, obwohl seit 1982 mehr als
drei Millionen neue Arbeitsplätze ge–
schaffen wurden.
Wie beurteilen Sie die Situation für
dasJahr1993?
Die entscheidende Größe wird auf
jeden Fall das Wirtschaftswachstum
sein. Liegt es unter drei Prozent, so
bedeutet das ganz generell eine hö–
here Arbei!slosenquote. Gehen wir
einmal von 1 bis 1,5 Prozent aus, muß
man mit 100000 bis 200000 mehr
Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt
rechnen. Bei Nullwachstum kann die
Zunahme bei 300000 liegen.
Lassen sich bestimmte Gruppen be–
nennen, die von der Arbeitslosigkeit
besonders bedroht sind?
Durchaus! Zuerst trifft es immer die–
jenigen, die keine Berufsausbildung
haben, schon älter oder krank sind;
von großer Bedeutung ist auch die
Mobilität. Zur Verdeutlichung nur ein
kurzer Blick in die Statistik: Jeder
zweite bei uns registrierte Arbeitslose
aus den alten Bundesländern hat zum
Beispiel keine abgeschlossene Be–
rufsausbildung, der Anteil dieser
Gruppe unter den Erwerbstätigen be–
trägt aber nur etwa 20 Prozent. Ich
denke, das spricht für sich.
Wie steht es auf dem Arbeitsmarkt
mit der Chancengleichheit der Frau?
Tatsache ist, daß viele Frauen auf–
grund der Hausarbeit und der Fami–
lie in ihrer Mobilität eingeschränkt
sind, woran im übrigen die Männer
nicht selten Mitschuld tragen. Hinzu
kommt die Frage nach der Qualifika–
tion - in diesen Bereich müssen wir
sicher noch eine Menge investieren.
Ein weiteres Problem besteht darin,
daß viele bei der Berufswahl zu we–
nig Flexibilität zeigen. Warum in aller
Weit sollen Frauen nicht genauso
handwerkliche oder gewerblich-