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Einsichten und Perspektiven 3 | 16

bereits in den 1980er Jahren wanderten viele als

„Reagan

Democrats“

zu den Republikanern ab – und jetzt sind sie

offensichtlich von denen enttäuscht genug, sich einem

Rechtspopulisten zuzuwenden.

Trumps Positionen sind genau auf diese Wähler zuge-

schnitten: Sie sehen sich als Opfer von Globalisierung und

Freihandel, sie empfinden Einwanderer als wirtschaftliche

Konkurrenz und kulturelle Bedrohung. Die Priorisierung

von Minderheiten- und Frauenrechten durch die Demo-

kratien nehmen sie als Verlust der eigenen gesellschaftli-

chen Bedeutung wahr,

„Political Correctness“

ist für sie

Zensur. Das außenpolitische und militärische Engagement

der USA interpretieren sie als Ressourcenverschwendung

auf ihre Kosten, gleichzeitig fürchten sie Terrorismus durch

Muslime im eigenen Land. Die Proteste von

„Black Lives

Matter“

begreifen sie als Bedrohung der öffentlichen Ord-

nung. Trumps Slogan

„Make America Great Again“

spricht

diese Wähler in besonderem Maße an und weckt nostal-

gische Erinnerungen an die USA der 1950er und1960er

Jahre als Amerikas Wirtschaftsmacht und die kulturelle

Dominanz weißer Männer noch ungebrochen schien.

Natürlich punktet Trump nicht nur bei „zornigen wei-

ßen Männern“ ohne höhere Bildung, aber diese Gruppe

bildet den harten Kern seiner Unterstützer. Bei anderen

normalerweise republikanischen Wählergruppen steht er

deutlich schlechter da. Trump setzt darauf, seine Unter-

stützer in einem derart ungeahnten Ausmaß an die Urnen

zu locken, dass sie seine Schwächen bei anderen Wählern

ausgleichen.

Die ewige Kandidatin: Hillary Rodham Clinton

Die republikanische Nominierung Trumps kam überra-

schend, nicht so die Kür Hillary Clintons (geb. 1947) bei

den Demokraten. Clinton hatte schon fast alle Ämter der

Bundespolitik inne: Von 2009 bis 2013 war sie Außen-

ministerin, von 2001 bis 2009 Senatorin aus New York.

2008 bemühte sie sich bereits einmal um die Präsident-

schaftsnominierung, wurde aber von Obama in den Vor-

wahlen geschlagen. Nicht zuletzt wohnte Clinton bereits

von 1993 bis 2001 im Weißen Haus und war eine poli-

tisch höchst aktive

„First Lady“,

die eher Gesetzesinitiati-

ven vorbereitete als sich um Blumenschmuck für Staats-

empfänge zu kümmern. Clinton ist die wohl erfahrenste

Politikerin der Demokraten und die Anführerin des

moderaten Flügels. Kein anderer Demokrat hat ein derart

gut ausgebautes Netzwerk an Unterstützern und Geldge-

bern. Als sie im April 2015 ihre Bewerbung um das Präsi-

dentschaftenamt bekannt gab, galt ihre Nominierung als

faktisch ausgemacht.

Feel the Bern: Clintons Kampf um die Nominierung

Doch es kam anders: Der demokratische Sozialist Bernie

Sanders, ein parteiloser, aber mit den Demokraten ver-

bündeter Senator aus Vermont entwickelte sich zu einem

ernstzunehmenden Konkurrenten für Clinton. Seine

Forderungen stammen aus den Parteiprogrammen lin-

ker europäischer Sozialdemokraten: höhere Steuern für

Reiche und Unternehmen, im Gegenzug Ausbau des

Sozialstaats auf skandinavisches Niveau, inklusive gebüh-

renfreiem Studium an staatlichen Hochschulen und staat-

licher Krankenversicherung für alle. Vor allem prangert

Sanders die extreme Konzentration von Einkommen und

Vermögen bei den reichsten Amerikanern an, während die

wirtschaftliche Lage der Mehrheit immer prekärer wird.

Er fordert daher eine konsequente Umverteilung von oben

nach unten durch den Bund. Für europäische Verhältnisse

sind das keine übermäßig radikalen Forderungen, für die

USA hingegen schon. Dennoch, oder gerade deswegen,

konnte Sanders eine enthusiastische Bewegung hinter sich

sammeln, vor allem junge Wähler und den linken Partei-

flügel der Demokraten. Sanders profitierte dabei vom sel-

ben Unmut über den Status Quo wie Trump, allerdings

mit linkspopulistischen Forderungen, nicht rechtspopulis-

tischer Fremdenfeindlichkeit.

Nun befürwortet auch Hillary Clinton höhere Steuern

für Reiche, höhere Mindestlöhne und bessere Sozialleistun-

gen, schließlich gehört der Ausbau des Sozialstaates neben

dem aktiven Schutz von Minderheiten- und Frauenrechten

zum Markenkern der demokratischen Partei. Allerdings

stammt Hillary Clinton genau wie ihr Mann Bill aus dem

moderaten Flügel der Demokraten, der eine sozialliberale,

aber zugleich wirtschaftsfreundliche Politik anstrebt. Das

bedeutet eine progressive Steuerpolitik bei gleichzeitiger

Rücksichtnahme auf Unternehmen, um Arbeitsplätze und

Wirtschaftswachstum nicht zu gefährden, sowie Sozial-

leistungen vor allem für Bedürftige und nicht so flächen­

deckend und weitgehend, wie Sanders es fordert.

Es gibt also auch bei den Demokraten konkurrierende

Parteiflügel, allerdings ist die inhaltliche Schnittmenge

bei diesen größer und der Streit nicht so bitter. Insge-

samt sind die Demokraten in den letzten 20 Jahren weiter

nach links gerückt, auch Clintons Positionen heute sind

erheblich progressiver als in den 1990er Jahren oder sogar

2008. Der Vorwahlkampf der Demokraten war eine rela-

tiv normale Auseinandersetzung zwischen parteiinternen

Lagern, die Clinton mit klarer, aber nicht großer Mehr-

heit für sich entscheiden konnte. Sanders gelang es nicht,

Obamas Überraschungssieg gegen Clinton von 2008 zu

wiederholen, auch weil er bei allem Erfolg kein so inspi-