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Der Bundestrainer aus Dresden. Helmut Schön als Figur deutscher Zeitgeschichte

Einsichten und Perspektiven 2 | 17

trainer der noch SBZ-Zonenauswahl ernannt, absolvierte

er ein Dreivierteljahr später bei Sepp Herberger einen

Trainerkurs an der Sporthochschule Köln, mit der blauäu-

gigen Begründung, das sei eben das qualitativ Beste, was

man im gesamten deutschen Fußball vorfinde.

Der Umbau von einem bürgerlich-pluralen in ein mono-

lithisches System unter marxistisch-leninistischen Vor-

zeichen, wie er alle gesellschaftlichen Bereiche zwischen

Erzgebirge und Ostsee bestimmte, machte vor dem Fuß-

ball keinen Halt. Zur förmlichen Schlüsselszene für diese

Entwicklung wird bis heute gern das Quasi-Endspiel zwi-

schen der SG Dresden-Friedrichstadt und der ZSG Horch

Zwickau am Ende der ersten Oberliga-Saison 1949/1950

in der noch ganz jungen DDR hochstilisiert. Es war der

16. April 1950 im Heinz-Steyer-Stadion in Dresden, dem

früheren Ostragehege und damit der früheren Heimat

des Dresdner SC. Vor diesem Endspiel, das die Saison

beendete, lagen Zwickau und Dresden-Friedrichstadt

gleichauf, ein Unentschieden hätte Dresden-Friedrich-

stadt mit dem besseren Torverhältnis zur Meisterschaft

genügt. Das Pikante war: Die Mannschaft setzte die Tra-

dition des Dresdner SC und damit des bürgerlichen Fuß-

balls ziemlich ungebrochen fort, Zwickau stand für den

neuen proletarischen Werksfußball, hinter dem die SED

stand. Unter heftigen Zuschauerausschreitungen und der

Vermutung, der Schiedsrichter habe einseitig gepfiffen,

unterlag der bürgerliche Fußball dem marxistisch-leni-

nistischen auf eigenem Platz mit 1: 5. Bei Lichte besehen

lag dieses Ergebnis wohl auch daran, dass die Dresde-

ner Mannschaft nicht nur benachteiligt wurde, sondern

schlicht auch in die Jahre gekommen war. Für die Volks-

wut war das aber unerheblich. Was die Uhr nun allerdings

politisch geschlagen hatte, brachte der spätere Chefmana-

ger des DDR-Sports, Manfred Ewald, so auf den Punkt:

„Besonders aber begrüßen wir es, dass die Sportler der

großen Betriebssportgemeinschaft eines volkseigenen

Betriebes diesen Sieg errungen haben. Sind sie es doch, die

durch unermüdliche Arbeit mitgeholfen haben und stän-

dig weiter mithelfen, die Lebenslage unseres ganzen Vol-

kes zu verbessern. Ihr Sieg in dieser Meisterschaft bewies,

dass die Demokratische Sportbewegung auf dem richtigen

Wege ist […] und darum werden die provokatorischen

Ausschreitungen nach dem Spiel der Anlass dazu sein, nun

erst recht die Arbeit in den Betriebssportgemeinschaften

Schön im Moment des größten Triumphs, 7. Juli 1974

Foto: ullstein bild/Fotograf: Werner Schulze