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Ägypten – Diktatur reloaded?

Einsichten und Perspektiven 2 | 16

Ägypten, das patriotische Stimmen gerne als „einzige Kul-

turnation der arabischen Welt“ bezeichnen, 

5

nimmt

im Nahen Osten traditionell eine Vorbildrolle ein. Sie

erklärt sich durch die lange Geschichte des Landes,

das sich mit den Pharaonen und damit einer der ersten

Hochkulturen der Menschheit schmücken kann, aus sei-

ner Sonderstellung innerhalb des Osmanischen Reichs,

dessen Teil Ägypten einst war, 

6

sowie einer bemerkens-

wert gesellschaftlich-politisch progressiven Phase in den

1920er Jahren. 

7

Sie erklärt sich auch aus der Bedeutung

5 Vgl. Sebastian Sons: Sugardaddy wird geizig, in: zenith. Zeitschrift für den

Orient, 3 (2015), S. 58 f., hier S. 58.

6 Hierher hatten sich viele Oppositionelle aus dem Osmanischen Reich zu-

rückgezogen, da der Arm des Sultans oftmals nicht so weit reichte. Seit

1882 gehörte Ägypten nur noch formal zum Reich, war es doch faktisch

(bis 1922) von den Briten besetzt. Das Land kann in dieser Periode als

„Insel freier Meinungsäußerung im Nahen Osten“ gelten. Vgl. Jürgen Os-

terhammel: Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhun-

derts, Bonn 2010, S. 71.

7 In dieser Zeit gab es in Ägypten, das nach der Unabhängigkeit von Großbri-

tannien als Königreich regiert wurde, ein Parlament, eine gewählte Regierung

und eine in der arabischen Welt einzigartig moderne Universität, an der auch

Frauen studierten. Vgl. „Jetzt ist es wieder unser Land“, Alaa al-Aswani im

Gespräch mit Annette Großbongardt und Volkhard Windfuhr, abgedruckt in:

Annette Großbongardt/Norbert F. Plötzl (Hg.): Die neue arabische Welt. Ge-

schichte und politischer Aufbruch, Bonn 2011, S. 201–210, hier S. 205.

der Kairoer

Al-Azhar

-Universität als globales Zentrum

des sunnitischen Islam, 

8

aus der historischen regionalen

Dominanz Ägyptens unter dem ehemaligen Präsiden-

ten Nasser 

9

und setzt sich heute mit der Verbreitung

des ägyptischen Films und Fernsehens im gesamtarabi-

schen Raum fort. Und so wurde auch der

Maidan at-

Tahrir

(„Platz der Befreiung“) im Herzen der Megastadt

Kairo 

10

2011 zum Symbol des „Arabischen Früh-

lings“ per se, obwohl die Proteste eigentlich in einem

beschaulichen Städtchen des tunesischen Nachbarlandes

8 Der Großmufti, der von den Gelehrten des Instituts für Islamisches

Recht an der Außenstelle der

Al-Azhar

-Universität in Tanta gewählt

wird, stellt die wichtigste Rechtsautorität im sunnitischen Islam dar,

dem die meisten Muslime konfessionell angehören. Der derzeitige Groß-

mufti ist Shawki Allam. Vgl. Andrea Backhaus mit einem interessanten

Blick hinter die Kulissen: Croissants und Waffeln, in: zenith (wie Anm. 5),

S. 68 f.

9 Gamal Abdel Nasser (eigentlich

c

Abd an-Nasir) war von 1952–1954

Ministerpräsident und danach bis 1970 Staatspräsident. Bekannt ist er

insbesondere für seine politische Ideologie des Panarabismus, der sich

zum Ziel setzte, alle Araber in einem gemeinsamen Nationalstaat zu

vereinen.

10 Die genaue Bevölkerungszahl der ägyptischen Hauptstadt kennt niemand:

Schätzungen schwanken zwischen zehn und 20 Millionen Einwohnern.

Insbesondere die Zahl der Bewohner aus den Slums an den Rändern der

Stadt ist kaum zu ermitteln.

Quelle:

weltkarte.com