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aviso 1 | 2014
DER ZAHN DER ZEIT
Colloquium
Darüber hinaus wurde die Bewegung derUnruhe auf
die Augen des Elefanten übertragen, die fortwäh-
rend hin und her rollten. Zudem handelt es sich hier
um ein exotisches und daher seltenes und kostbares
Tier, genauer noch um einen Kriegselefanten, der
militärische Tüchtigkeit symbolisiert – ein Werk
also, in dem sich die fürstlichen Ansprüche seines
Besitzers spiegelten.
Während Räderuhren im
Laufe der
Zeit immer weiter optimiert wurden, blieben
Sonnen- und Sanduhren weiterhin in Gebrauch.
Neben einfacheren, eher bürgerlichen Sonnenuhren
besitzt das Nationalmuseum ein besonders kost-
bares Exemplar von 1578, das im Zweigmuseum
in Landshut ausgestellt ist. Es hat die Form eines
Polyeders, und wenn die Uhr mittels eines Kom-
passes nach Süden ausgerichtet ist, ermöglichen
25 verschieden geneigte Flächen mit jeweils einer
eigenen Skala die Zeitablesung zu jeder Stunde des
Tages sowie verschiedene Zeitzählungen. Zugleich
kann die Übereinstimmung der einzelnen Anga-
ben kontrolliert werden. Freilich ist eine solche
Vielflächen-Sonnenuhr weitgehend eine Spielerei,
die neben einer Huldigung an Herzog Ludwig von
Württemberg auch einen mahnenden Spruch auf-
weist: »Hie kurtze Frist, dort ewig ist. Bedenck das
End, Zeit laufft behend.«
Barocke Prunkstücke
aus Wittelsbacher Schlössern
Ein Werk, das keinen Aufwand an Prachtentfal-
tung scheut, ist eine monumentale Prunkuhr aus
der Münchener Residenz, die exemplarisch für die
einzigartigen barocken Uhren aus den Wittels­
bacher Sammlungen steht. Sie entstand um 1700
wohl imAuftrag des KurfürstenMax Emanuel von
Bayern und ist das gemeinschaftliche Produkt von
vier Augsburger Goldschmieden, einem Schreiner
und einemUhrmacher. Über einem Tisch mit ver-
goldeten und versilberten Figuren erhebt sich die
Uhr wie eine steile Pyramide. In silbernen Reliefs
sind Szenen aus der antikenMythologie dargestellt,
und zuoberst thront der Blitze schleudernde Jupiter.
Die Uhr wird
gegenwärtig einer aufwändi-
gen Restaurierung unterzogen, die sich vor allem
den silbernen Oberflächen widmet. Diese waren
im Laufe der Zeit oxidiert und hatten daher viel
von ihrem Glanz verloren, so dass die Beschläge
einzeln von ihrem Untergrund abgelöst und
gereinigt wurden. Insgesamt war der Dekor in
240 Einzelteile zerlegt, die mittels einer genauen
Kartierung an ihren Platz zurückgebracht werden.
Um dem erneuten Nachdunkeln vorzubeugen und
die nächste Restaurierung soweit wie möglich hin­
auszuschieben, wird die Uhr im sanierten West-
flügel des Museums künftig in einer Vitrine mit
Reinraumtechnik ausgestellt, in der einModulsys-
tem fortwährend Schadstoffe und Feinstaub filtert.
Die Restaurierung brachte es auch mit sich, ein-
gehend die beiden Werke der Uhr zu untersuchen
und sie in Gang zu setzen. Verglichen mit denWer-
ken anderer Uhren, die zahlreiche Indikationen,
also verschiedene Zeitanzeigen, aufbieten können,
bleibt die Silberuhr weit hinter denMöglichkeiten
der Uhrmacher zurück, denn sie beschränkt sich
auf die Anzeige der Stunden und Minuten sowie
der Mondphasen und das Schlagwerk. Ehemals
soll die Uhr noch ein Orgelwerk besessen haben,
von dem jedoch jede Spur verloren ist. Spannen-
der für den Betrachter ist jedoch das separate Werk
für den Kugellauf: Eine Kugel läuft fortwährend
über eine abschüssige Bahn auf der Vorderseite
und verschwindet wieder im Gehäuse. Dort löst
sie einen kleinen Aufzug aus, der die Kugel an das
obere Ende der Bahn hebt, so dass das Spiel von
neuem beginnt.
Zeit in ganz
anderen Dimensionen als den
irdischen zeigt ein Planetarium von George
William Adams. Gefertigt um 1745 in London,
stand es zunächst in Mannheim im Schloss der
Kurfürsten von der Pfalz und schmückte die dor-
tige Hofbibliothek. Der primäre Zweck des durch
ein Federwerk angetriebenen Planetariums war es,
die Stellung der Planeten und Monde anzuzeigen,
gleichzeitig aber wird unmissverständlich deutlich,
wie die Zeit in kosmischen Dimensionen verstreicht:
Auf den einzelnen sich drehenden Kreisscheiben,
auf denen jeweils ein Planet montiert ist, ist ziem-
lich präzise angegeben, wie lange die Planeten für
einen Umlauf um die Sonne benötigen: Bei der
Erde sind dies bekanntlich 365 Tage (sowie fünf
Stunden und neun Minuten), der zügige Merkur
benötigt knapp 58 Tage, während Saturn als der
imModell ganz außen befindliche Planet ganze 29
Erdenjahre und 167 Tage braucht, um an seinen
Ausgangspunkt zurückzukehren.
Uhren der Fürsten von Thurn und Taxis
Im Jahr 1993 gelang dem Bayerischen National­
museum der Erwerb von höchst bedeutenden
Kunstgegenständen aus dem Besitz des Fürsten
von Thurn und Taxis, darunter auch von mehre-
ren Uhren. Eine davon ist die Chronos-Uhr aus
dem frühen 18. Jahrhundert, ausgestellt im Zweig­
museum »Fürstliche Schatzkammer Thurn und
Taxis« in Regensburg. Es handelt sich dabei um
eine sogenannte »Mystérieuse«, bei der man nicht
auf Anhieb erkennen kann, wo genau das Gehwerk
© Walter Haberland | Bastian Krack | Karl-Michael Vetters
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