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Otto von Bismarck – Erblast und Erbe
In einer Karikatur anlässlich
seines Todes im Jahr 1898
wird Bismarck im Auftrag
der Humanität auf den
„Haufen“ anderer Despoten
und Kriegstreiber geworfen:
„Au Tas! ... Le coin des mon-
stres“ („Auf den Haufen!“ ...
„Die Ecke der Ungeheuer“).
Quelle: Universitätsbibliothek Heidel-
berg (Creative Commons-Lizenz CC-
BY-SA 3.0 DE)
politischen Kultur anrichtete, wenn er mit seiner Kampfpo-
litik einen sich durch ganz Deutschland ziehenden Damm
errichtete, der die Gesellschaft polarisierte und in Anhänger
und Gegner spaltete? Welche Folgen zeitigte es, wenn Bis-
marck auf die sich wandelnden Gegebenheiten der moder-
nen Gesellschaft keine andere Antwort wusste, als sich, je
länger, desto mehr, auf der einmal bezogenen Position ein-
zuigeln und sie auf Biegen und Brechen, mit Kniffen, Tricks
und Ränkespielen zu verteidigen. Offenbar war er weit da-
von entfernt, zu begreifen, dass eine moderne Gesellschaft
ohne Kompromiss und Ausgleich keinen inneren Frieden,
keine Einheit mit sich selbst finden kann. Die konstruktive
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Organisierung des Wandels und die Aussichtslosigkeit, ihn
auf Dauer bändigen zu können, das blieb Bismarck zeitle-
bens fremd.
Schon als Bismarck im Sommer 1898 zu Grabe getragen
wurde, begannen sich die Geister zu spalten, ob der Ein-
schätzung seiner Leistungen, seiner Methoden und seines
Erbes. In zwei Karikaturen, die nicht gegensätzlicher sein
konnten, kam dies zum Ausdruck. Auf der einen Seite zele-
brierte der „Kladderadatsch“ „Des Helden Heimfahrt“:
Bismarck, bekränzt mit Siegeslorbeer und angetan mit dem
zweiflügeligen Wikingerhelm, wird von einem mit reicher
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