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Mit zwölf Jahren war ich zunächst gar nicht in der Lage,

meine Situation richtig einzuschätzen. Ich wußte über die

Schwere meiner Krankheit nicht Bescheid, hab' mich al–

lerdings schon gewundert, daß meine Mutter bei den Be–

suchen immer geweint hat. Es dauerte dann sehr lange,

. eigentlich mehrere Jahre, bis ich begriff, daß oll die Be–

handlungsmaßnahmen keine große Wirkung hatten. Na–

türlich war da die seelische Belastung sehr groß. Aber es

bleibt einem ja nichts anderes übrig, als sich das Leben

eben so einzurichten, daß man mit seiner Behinderung

zurechtkommt.

Sicher braucht man in einer solchen Situation den Bei–

stand der Ettern ganz besonders?

Ich finde, daß da gerade die Mutter sehr wichtig ist. Eine

Mutter gibt nicht so schnell auf, und ihre Hilfe ist bedin–

gungslos. Wissen Sie, die Unterstützung, die man sonst

erfährt, die läßt sehr schnell nach, weil jeder seinen eige–

nen Weg geht- bei einer Mutter ist das etwas anderes.

Welche Ratschläge könnten Sie anderen Behinderten ge–

ben?

Ein Patentrezept hab' ich auch nicht. Es muß wohl jeder

selber irgendwie durch- die Zeit spielt dabei eine große

Rolle. Und dann gibt es ja in den Kliniken und Rehabilita–

tionszentren Ärzte und Psychologen, die einem mit Rat

undTat zur Seite stehen .

Erinnern Sie sich noch an Ihre Schulzeit? Welche Proble–

me ergaben sich da aufgrund Ihrer Behinderung?

Ich war damals in der 6. Klasse Volksschule, als ich ins

Krankenhaus kam. Anfangs sagte man mir, daß ich unge–

fähr sechs bis acht Wochen bleiben müsse. Aber dann

wurde doch ein ganzes Jahr daraus. Danach konnte ich

wieder meine alte Schule in Mammendorf besuchen. Ich

kam sogar wieder in meine frühere Klasse zurück und

spürte von seiten meiner Mitschüler keine Vorbehalte.

Aber einfach war es in der Schule trotzdem nicht. Da un–

ser Klassenzimmer nicht im Parterre lag, mußte mich mein

Vater jeden Tag in der Früh mehrere Treppen hochtragen

-und mittags nach dem Unterricht wieder herunter. Übri–

gens ließ man mich damals nicht am Kochunterricht teil-

Margit Quell mit Tochter Tir1a beim Gespräch in der Redaktion

nehmen - aus Angst, ich könnte die anderen Kinder an–

stecken. Natürlich war dies völlig unbegründet. Damals

wurde mir bewußt, wie wenig die Leute über Behinderte

und über die verschiedenen Arten von Behinderung wis–

sen.

Sie haben nach der Volksschule eine Wirtschaftsschule

für Körperbehinderte besucht. Wo sehen Sie die Vor–

bzw. Nachteile einer solchen Sonderschule?

Vorteilhaft ist sicher, daß Behinderte in diesen Schulen

weit über das Normalmaß hinaus Hilfe erhalten. Auf der

anderen Seite werden sie aber aus ihrer gewohnten Um–

gebung herausgerissen - ich habe das am eigenen Leib

erlebt. Wenn es irgendwie möglich ist, sollte man behin–

derte Kinder in der Regelschule belassen .

Wo liegen Ihrer Meinung nach die Grenzen für die Inte–

gration von Behinderten in eine allgemeine Schule?

Ich würde die Grenze dort ziehen, wo ein Behinderter

nicht mehr in der Lage ist, den Lernstoff zu bewältigen.

Grundsätzlich halte ich es aber für ganz wichtig, daß Be–

hinderte Umgang mit ihren nichtbehinderten Altersgenos–

sen haben. Sie lernen dann leichter, sich durchzusetzen -

auch wenn dies manchmal hart ist. Zum anderen geraten

sie nicht so leicht in die Isolation.

Wie war das zu Ihrer Schulzeit?

Wir wurden in unserem Internat regelrecht von der Au–

ßenwelt abgeschottet und hatten danach auch die ent–

sprechenden Schwierigkeiten. Ich kann mich noch erin–

nern, daß ich Angst hatte,

wenn ich allein die Straße

überqueren mußte. Ein an–

deres großes Problem war

damals, daß die Schulen

meist nicht behinderten–

freundlich eingerichtet wa–

ren - aber das ist ja leider

auch heute manchmal noch

so.

Viele Sonderschulen arbei–

ten mit den allgemeinen

Schulen zusammen und

führen mit ihnen gemein–

same Aktivitäten durch.

Was halten Sie davon?

' '

Behinderte

dürfen nicht

zu Schau–

objekten

werden.

' '

Ich denke, daß das für die junge Generation sehr wichtig

ist, allerdings sollte eine solche Zusammenarbeit über

einen längeren Zeitraum gehen. Die Schüler müssen erst

zueinanderfinden. Daß so etwas sehr gut gelingen kann,

selbst mit Schwerstbehinderten, habe ich bei Spielnach–

mittagen schon erlebt. Es ist aber wichtig, daß solche Ver–

anstaltungen auch wirklich etwas für die Kinder bringen.

Ich lehne es ab, wenn Behinderte zu Schauobjekten ge–

macht werden. Gerade bei Einladungen von Prominenten

habe ich manchmal schon diesen Eindruck.

Worauf kommt es also an?

Daß man voneinander mehr erfährt, daß man merkt, daß

der andere ein ganz normaler Mensch ist.

SCHULE

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