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Viele setzen behindert

mit hilflos gleich.

Das

bin ich nicht''

Frau Quell, Sie sind seit ihrem 12. Lebensjahr auf den

Rollstuhl angewiesen und trotzdem eine erfolgreiche

Sportlerin. Welche Bedeutung hat der Sport für Sie?

Der Sport bietet mir ein abwechslungsreiches Leben. Ich

komme mit vielen Leuten zusammen und habe einen gro–

ßen Freundeskreis gewonnen. Natürlich ist es mir auch

wichtig, daß ich körperlich fit bleibe. Das erleichtert mir

den Alltag doch sehr, je fiter man ist, desto besser kann

man das Ganze bewältigen; es fällt einem einfach nicht

so schwer, aus dem Rollstuhl ins Bett oder auf den Boden

zu kommen. Der Spitzensport ist für mich darüber hinaus

noch eine besondere Herausforderung, weil man dabei

immer wieder an die Leistungsgrenze des eigenen Kör–

pers herangeht. Daneben reizt es mich einfach, einen

neuentwickelten " Rennstuhl" auszuprobieren .

Ist der Rollstuhl für Sie dann eher eine Art Sportgerät?

Zum Teil ja. Es ist ein bißchen wie im Motorsport. Auch

dort gibt es immer wieder technische Neuerungen. Bei

uns gehört z. B. der Schnellfahrstuhl dazu - und so eine

Neukonstruktion auszuprobieren, macht mir schon Spaß.

Bringt eine solche Neuerung auch Erleichterungen für

das tägliche Leben eines Behinderten?

Selbstverständlich. Technische Verbesserungen, die man

über den Sport gewinnt, werden auf den Alltagsrollstuhl

übertragen. So sind im Laufe der Jahre die Rollstühle

leichter geworden; vor allen Dingen hat man sie dahinge–

hend verändert, daß man bequemer sitzen kann und Bür–

gersteigkanten oder abschÜssige Straßen nicht mehr sol–

che Probleme bereiten.

Können Sie unseren Lesern ihren Alltag ein wenig be–

schreiben?

Ich bin Bankkauffrau von Beruf und arbeite halbtags; da–

neben habe ich einen Haushalt zu versorgen. Gott sei

Dank unterstützen mich meine Tochter und notfalls auch

mein Mann bei der Arbeit im Haus; eine Putzfrau oder

eine Haushaltshilfe habe ich nicht. Die Pflichten einer

Hausfrau und Mutter, wie Waschen oder Kochen, bleiben

mir natürlich nicht erspart. Ich möcht' auch nicht, daß die

Familie durch meine Behinderung Nachteile hat.

Haben die Medaillen von Seoullhr Leben verändert?

Ja, haben sie schon. Ich bin im Landkreis Fürstenfeld–

bruck noch bekannter geworden. Das nützt mir in meinem

Beruf doch sehr. Außerdem kann man, wenn man be–

kannt ist, mehr für die Behinderten erreichen. Natürlich

hängt hier viel von den Medien ab. Je mehr berichtet

wird, um so größer ist die Anerkennung, die man erfährt.

Ich habe das besonders gespürt, als ich in der "Sport–

schau" zu sehen war.

Aber der Sport nimmt Sie doch sehr in Anspruch?

Ja. Im Extremfall trainiere ich sechsmal in der Woche -

vor den Spielen in Seoul war das zum Beispiel so; dane–

ben bin ich in vielen Sportgremien tätig. ln Zukunft werde

ich aber wohl ein wenig kürzertreten, damit ich wieder

mehr Zeit für andere Hobbys habe. Ich möchte mal wie–

der ins Theater gehen oder einfach Freunde besuchen .

Eine große Leidenschaft von mir ist auch das Tanzen. Ich

bin Abteilungsleiterin für den Rollstuhl-Tanzsport beim

Universitäts-Sportclub München.

Außerdem nähe ich sehr gerne und entwerfe auch Mode

für Rollstuhlfahrerinnen. Wissen Sie, ich wollte als junges

Mädchen eigentlich Modeschöpferin werden.

Warum ist daraus nichts geworden?

Der Grund liegt in meiner Behinderung. Es wäre für mich

kaum möglich gewesen, eine Modeschule zu besuchen;

auf Rollstuhlfahrer waren derartige Einrichtungen da–

mals, vor über 20 Jahren, einfach nicht eingestellt.

Mit welchen Problemen haben Behinderte heute zu

kämpfen?

Zuerst möchte ich eines klarstellen: Oft haben nicht wir

Behinderte Schwierigkeiten mit den anderen, sondern die

anderen mit uns. Nichtbehinderte können sich nämlich

ganz offensichtlich die Behinderung nicht einfach weg–

denken und nur den Menschen sehen. Anfangs sind die

Leute ja auch meist recht hilfsbereit, das läßt aber sehr

schnell nach, wenn es um den eigenen Vorteil geht. Im

Beruf erlebt man das sehr deutlich.

Wünschen Sie sich also im Beruf mehr Rücksichtnahme?

Das eigentlich nicht. Ich möchte meinen Arbeitsplatz ha–

ben, weil ich etwas leiste und mir die Tätigkeit Spaß

macht- und nicht, wei l ich im Rollstuhl sitze und man mir

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