den allgemeinen Schulen zu erleich–
tern, wurden in Bayern wichtige son–
derpädagogische Einrichtungen ge–
schaffen, wie z. B. die Frühförderung
und die mobilen sonderpädagogi–
schen Dienste. Damit versucht man
zum einen, vorhandene Behinderun–
gen möglichst früh auszugleichen
oder zu mildern; zum anderen wer–
den ausgebildete Sonderschullehrer
eingesetzt, mit deren Hilfe Schüler,
die ohne entsprechende zusätzliche
Förderung die Sonderschule besu-
Robert·Schuman·
Gymnasiums in Cham
und des Behinderten·
zentiVms St. Gunther
bastelten miteinander
ein buntes Dorf.
chen müßten, an der allgemeinen
Schule verbleiben können. Mobile
sonderpädagogische Dienste gibt es
für Seh-, Hör-, Sprach- und Körper–
behinderte, aber auch für Schüler mit
hohem Erziehungsbedarf.
"Dennoch wäre es aber falsch", so
Dr. Elmar Schaar, im bayerischen
Kultusministerium Fachreferent für
die Schulen für Behinderte und Kran–
ke, "wollte man die Augen davor
verschließen, daß es trotz oll dieser
Maßnahmen Kinder gibt, die auf-
Partnerschaff erwünscht
grund ihrer Behinderung dem Unter–
richt in einer allgemeinen Schule
nicht zu folgen vermögen. Vor allem
deshalb nicht, weil sie die gleichen
Lernziele erreichen müssen wie ihre
Klassenkameraden - worauf beim
gemeinsamen Unterricht ja nicht ver–
zichtet werden kann. Für diese Kin–
der und Jugendlichen sind die Schu–
len für Behinderte sicher der bessere
Weg. Dabei ist mir sehr wohl bewußt,
daß die Entscheidung für eine solche
Schule für die Eitern und das betrof-
12 SCHULE
aktuell
fene Kind nicht einfach, manchmal
sogar sehr schmerzlich ist."
Die Zusammenarbeit zwischen den
verschiedenen Schularten sollte ge–
rade deshalb selbstverständlich sein.
Denn dadurch kann ein hohes Maß
an sozialer Eingliederung der Behin–
derten erreicht werden. Das Ziel ist
dabei aber nicht eine Patenschaft,
die von bloßem Mitleid getragen
wird, sondern eine Partnerschaft.
Wie so etwas aussehen kann, zeigen
neben den eingangs geschilderten
Aktivitäten der Volksschule Ruhstorf
zwei weitere Beispiele.
Bereits seit 10 Jahren haben das
Robert-Schuman-Gymnasium
in
Cham und die Schule für Geistigbe–
hinderte der nahegelegenen Bil–
dungsstätte St. Gunther Kontakt mit–
einander. Man lädt sich gegenseitig
zu Bazaren, Schulfesten oder Tanz–
veranstaltungen ein. Darüber hinaus
backen die Gymnasiasten jedes Jahr
zur Weihnachts–
zeit ein Riesen–
Lebkuchenhaus,
das sie im Rah–
men einer Ad–
ventsfeier den
Schülern von St.
GuntherzumGe–
schenk machen.
Am Ende · des
letzten Schuljah–
res wurde der
Grundstein für
- =-----_,. ein neues Pro–
jekt gelegt. Man beschloß, sich nicht
mehr nur zum Feiern zu treffen, son–
dern auch zum gemeinsamen Arbei–
ten- ein Dorf aus Pappkarton sollte
entstehen. Nach einigen Vorbespre–
chungen zwischen den betreuenden
Lehrern beider Schulen kam es im
Juni
'89
zum ersten "Arbeitstreffen"
im Werkraum des Gymnasiums.
Der "Bautrupp" bestand aus Schü–
lern der Werkstufe des Behinderten–
zentrums und den Gymnasiasten aus
der 10 d. Der Vorrat an Schachteln
schrumpfte rasch zusammen, und un–
ter den geschickten Händen der
Schüler entstanden kleine Kunstwer–
ke. Angenehm fiel auf, daß sich die
Gymnasiasten nicht als Lehrmeister
gebärdeten, sondern alle Schülerihre
Ideen gleichberechtigt einbrachten.
Das Ergebnis der gemeinsamen
Anstrengung konnte sich durchaus
sehen lassen. Viel wichtiger aber
war, daß die Jugendlichen durch die
Zusammenarbeit mehr Verständnis
füreinander gewonnen hatten. Der
17jährige Gymnasiast Tobias Rie–
der, der bei dieser Aktion mitmach–
te, meint dazu: "Leider ist es für viele
noch was Außergewöhnliches, mit
Behinderten zusammenzusein. Für
uns ist es· inzwischen zur Normalität
geworden. Und das finde ich gut!"
Noch relativ jung ist die Partner–
schaft 'zwischen den Jugendlichen
der Regensburger Pater-Rupert–
Mayer-Schule für Körperbehinderte
und einer 8. Klasse des benachbarten
Goethe-Gymnasiums. Auf Anregung
der Mutter eines Gymnasiasten, die
im Behindertenzentrum tätig ist, traf
man sich vor ungefähr einem halben
Jahr zum ersten Mal, um miteinander
Über die Schule hinaus
Sport zu treiben. Für die g,emeinsame
Unternehmung hatten die Lehrer Bas–
ketball und Schwimmen ausgewählt.
Damit aber die Schüler überhaupt
miteinander Basketball spielen konn–
ten, mußten sich auch die Gymnasia–
sten - so mancher machte zunächst
ein skeptisches Gesicht- in Rollstüh–
le setzen. Verdutzt stellten sie bereits
bei den ersten Fahrversuchen fest,
daß diese Art der Fortbewegung ihre
Tücken hat. So waren einige Probe–
runden nötig, und die Jugendlichen
von der Pater-Rupert-Mayer-Schule
mußten Fahrtips geben. Dann konnte
das Match beginnen .
Nach zaghaften Anfängen kam es
zu einem recht ordentlichen Zusam–
menspiel. Für einen Außenstehenden
waren die Teams auf den ersten Blick
kaum voneinander zu unterscheiden;
lediglich der geschicktere Umgang
mit dem Rollstuhl verriet die Schüler
des Behindertenzentrums. Befragt
nach seinen Eindrücken, gesteht Mat–
thias aus der Sc: "Es ist schon ein ko–
misches Gefühl, wenn man zum er–
sten Mal in einem Rollstuhl sitzt. Da
merkt man eigentlich erst, was ein
Behinderter leisten muß."
Ähnliche Erfahrungen machten die
Gymnasiasten anschließend auch
in der Schwimmhalle. Die meisten
von ihnen waren überrascht, daß
alle Körperbehinderten schwimmen
konnten, manche sogar, wie z. B. der
15jährige Stefan, der bei einer Mut–
probe eine Hand und einen Arm ver–
loren hat, besser als sie selbst.
Mitleid, das spürten die Schüler des
Goethe-Gymnasiums sehr schnell ,
war hier fehl am Platz; vielmehr kam
es darauf an, Verständnis für die
besondere Situation der behinderten
Altersgenossen zu entwickeln und das
Miteinander zu erproben. Seit dieser
.ersten sportlichen Zusammenkunft
trifft man sich regelmäßig, und es sind
einige Freundschaften entstanden
auch über die Schule hinaus.
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