Getrennt
in alle
Ewigkeit?
Fortsetzung von Seite 23
tellektuell veranlagt, die an–
deren mehr fürs Praktische;
manche haben eine Vor–
liebe für die Technik, einige
fürs Musische.
Woher haben Kinder ihre
Stärken und Schwächen?
Sind sie vererbt, oder liegt
es an der Erziehung? Seit
Jahren streiten die Fachleu–
te um diese Frage. Einzelne
vertreten die Ansicht, daß
bei entsprechender Erzie–
hung jedes Kind alles ler–
nen kann. Unbestritten ist:
Die bei der Geburt mitge–
gebenen Anlagen können
gefördert werden.
Ein Kind , mit guten An–
lagen, das vernachlässigt
wird, bleibt z. B. weit hin–
ter dem zurück, was es
eigentlich werden könnte.
Bei den Abc-Schützen
sind die Unterschiede be–
reits groß. Ist es sinnvoll,
die verschiedenen Begabun–
gen und Intelligenzen in
einer Klasse zusammen zu
unterrichten? Sollte man sie
nicht in A- und B-Kiassen,
in gute und schlechte Schü–
ler aufteilen?
Viele Eltern wollen das,
denn sie wissen, daß Schü–
ler mit einem langsamen
Auffassungsvermögen das
Lerntempo der anderen im
Unterricht verzögern. Zu–
mindest sollte man nach ih–
rer Meinung in einzelnen
Fächern Leistungskurse bil–
den, z. B. einen A-Kurs für
gute Rechner und ei.':len B–
Kurs für schlechte. "Außere
Differenzierung" nennen die
Fachleute diese Art der Auf–
teilung.
Sortiert nach Leistung
Auf den ersten Blick
scheint das einzuleuchten -
wenigstens für die Ehern
erfolgreicher Schüler. Das
Bayerische
Kultusministe–
rium aber wehrt sich, un–
terstützt von der großen
Mehrheit der Pädagogen.
Warum? Ist es wieder ein–
mal nicht genug fortschritt–
lich? Bitte überlegen Sie:
Ist es für ein Kind ermuti–
gend, wenn es in die "Dep–
penklasse" eingestuft wird?
Wie soll ein Kind Spaß an
der Schule haben, wenn es
von den spottlustigen Al-
24
2
3
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DieErsten
werden
dieErsten sein
Neue Zahlen räumen mit dem
alten Vorurteil auf,
daß Zeugnisnoten nichts über den
späteren Erfolg oder Mißerfolg
aussagen.
Der Schulversager, der im späteren Leben den
früheren Primus überflügelt, ist die große Aus–
nahme.
Das beweist jetzt eine ausführliche Untersuchung
(abgedruckt in "juristische
Sch~l~nf!",
1972/12):
Bei 2000 Kandidaten der ersten JUriStischen Staats–
prüfung
1971/72
in Bayern wurden .die Exar:nens–
noten mit den Abiturleistungen verglichen. D1e Ta–
belle zeigt deutlich, wie Abiturnoten,
~tudiendauer
und Prüfungsergebnisse zusammenhan.gen: .
G~te
Abiturienten erzielten in kürzerer Stud1enze1t v1el
bessere Examensnoten.
Zahl der
Noten-
Juristisches Noten-
Durchschn.
Kandidaten durchschnitt Examen
durchschnitt Studien-
im Abitur
bestanden im Examen dauer
(Semester)
9
1,00
9
3,21
8,00
24
1,33
24
3,67
8,21
39
1,66
38
3,69
8,78
100
2,00
97
4,00
8,89
124
2,33
113
4,08
8,90
197
2,66
167
4,31
9,02
312
3,00
264
4,41
9,18
382
3,33
304
4,53
9,38
414
3,66
297
4,61
9,59
341
4,00
212
4,76
9,62
123
4,33
64
4,83
9,64
tersgenossen an seine amt–
lich bescheinigte "Dumm–
heit" erinnert wird?
Das Gerede der Nachbar–
schaft erhält willkommene
Nahrung.
Ein mäßig begabtes Kind
wird nicht dadurch klüger,
daß man es in ein Ghetto
von Unbegabten steckt.
ln einer gemischten Klas–
se, wo die Kinder nicht
nach Leistung vorsortiert
sind, gibt es einen gehei–
men Antrieb: das Beispiel
der gewandteren Kamera–
den. Der Wunsch, so zu
sein wie sie, wirkt oft Wun–
der. ln der Freundschaft
und im Kontakt mit guten
Schülern erlebt auch der
schlechte: Ich bin nicht ab–
gehängt.
ln einer gemischten Klas–
se haben auch die Lern–
schwachen hin und wieder
Gelegenheiten zu Achtungs–
erfolgen, die das Selbstbe–
wußtsein festigen: Ein Tor–
schuß im Sportunterricht
imponiert allen, auch Ein–
serschülern.
Weder "Deppen..-
noch Eliteklassen!
Der natürliche, nicht der
künstlich sortierte Klassen–
verband ist das Spiegelbild
einer demokratischen Ge–
sellschaft. Die Trennung in
"Deppen" - und Eliteklassen
versperrt den Zugang zu
diesem Kernerlebnis, das
jeder Schüler haben sollte.
Statt Chancengleichheit her–
zustellen, wird die Kluft
zwischen den Kindern ver–
tieft.
Praktiker gehen längst
einen anderen Weg: Sie bil–
den innerhalb der Klasse
Lerngruppen mit wechseln–
der Zusammensetzung und
beschäftigen sie von Fall zu
Fall
mit unterschiedlich
schweren Aufgaben. So
bleibt die natürliche Klas–
sengemeinschaft gewahrt,
und jeder Schüler wird
trotzdem nach seiner Fähig–
keit gefördert.
Nach vier Jahren ge–
meinsam verbrachter Grund–
schulzeit werden die Zehn–
jährigen noch früh genug
getrennt, wenn die einen
in das Gymnasium übertre–
ten und die anderen in der
Hauptschule mit dem Kurs–
unterricht beginnen.
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