halbe Stunde zu Fuß zur Schule ge–
gangen - heute kann man so etwas
scheinbar keinem mehr zumuten, da
muß unbedingt ein Bus eingesetzt
werden. Am Vormittag sitzen die Kin–
der dann in der Schule, am Nachmit–
tag am Schreibtisch und am Abend
vor dem Fernseher.
Aber viele Eltern schicken doch ihre
Kinder zum Sport?
Ja, aber oft sieht das doch so aus,
daß sie den Sohn oder die Tochter
mit dem Auto hinfahren, dann turnen
die gerade mal eine Stunde, und
dann werden sie wieder zurückge–
fahren . Das ist einfach zu wenig.
Gibt es über die Fitneß hinaus noch
allgemeine Werte, die der Sport jun–
gen Menschen vermittelt?
Sie lernen nicht nur ihren Körper bes–
ser kennen und sich richtig zu bewe–
gen, sondern auch soziales Verhal–
ten. Fairneß zum Beispiel übt man
nirgendwo so intensiv wie im Sport.
Wenn Kinder auf dem Spielplatz um
eine Schippe kämpfen, dann kennen
die oft keine Fairneß; im Sport aber
gibt es ein festes Reglement, wobei
Verstöße geahndet werden.
Was leisten hier die Sportvereine?
Sie fördern ganz besonders das rich–
tige Verhalten in der Gruppe, und
man trainiert unter Anleitung. Anson–
sten sind die Vereine ja vor allem für
das Wettkampfwesen zuständig, was
nicht immer ganz unproblematisch
ist; denn so mit 16, 17 Jahren steigen
die Jugendlichen aus, die Ieistungs-
14 SCHULE
aktuell
SPORTLER
SIND
AUTOMATISCH
VORBILDER.
mäßig nicht stark genug sind, um in
eine besondere Klasse oder in die
Mannschaft zu kommen.
Was können die Vereine dagegen
unternehmen?
Sie müssen -auch für die breite Mas–
se - noch mehr jugendgemäße An–
gebote machen. Wo kann man denn
zum Beispiel heute, einfach nur so
zum Spaß, ein bißchen Leichtathletik
betreiben?
Welche Bedeutung kommt da aus Ih–
rer Sicht dem Sportunterricht in der
Schule zu?
Eine ganz w ichtige! Er sollte nicht nur
Ausgleich zum ständigen ruhigen Sit–
zen im Klassenzimmer sein, sondern
die Kinder vor allem an die Grund–
sportarten
Schwimmen,
Turnen,
Leichtathletik heranführen; darauf
kann man dann später aufbauen. Ich
würde mir wünschen, die Kinder hät–
ten jeden Tag eine Sportstunde, so
wie in Amerika. Gut fände ich es
auch, wenn die Schulen untereinan–
der noch mehr Wettkämpfe veran–
stalteten- das motiviert.
Sie sind selbst Diplomsportlehrerin.
Wie begeistert man Schüler für den
Sport?
Sicherlich nicht dadurch, daß man
mit der Trillerpfeife im Mund am
Spielfeldrand steht und die Kinder
marschieren läßt. Der Sportlehrer
Mit
6,78m
wurde
Heide
Rosendahl
1972
in München
Olympia–
siegerin
im Weit–
sprung.
muß sich engagieren, muß für jede
Klasse ein eigenes Konzept entwik–
keln, sich immer wieder etwas Neues
einfallen lassen, sonst holt er in der
Tat keinen hinter dem Ofen hervor.
Gelernt hat er das doch schließlich in
seiner Ausbildung.
Spielt eigentlich das Alter des Sport–
lehrers eine Rolle?
Nein! Entscheidend ist, daß man sich
engagiert und selbst von der Sache
begeistert ist. Nicht unterschätzen
sollte man allerdings die Einstellung
der Gesellschaft; in Amerika hat
Sporttreiben einen viel höheren Stel–
lenwert als bei uns. Dort finden Sie
nahezu an jeder Straßenecke Sport–
anlagen, Sie sehen selbst den ameri–
kanischen Präsidenten immer wieder
bei sportlichen Tätigkeiten, die Sport–
ler genießen ein ganz anderes Anse
hen- das wirkt sich natürlich auf die
Kinder aus.
Können bzw. sollen berühmte Sport–
ler Vorbilder sein?
Sie sind· es automatisch. Und ich halte
es für wichtig, daß sie sich dieser
Vorbildfunktion bewußt sind und sich
entsprechend verhalten. Wo gibt es
das sonst noch, daß zwei Menschen,
wie zum Beispiel im Tennis, Zigtau–
sende oder gar Millionen Zuschauer
für mehrere Stunden in ihren Bann
ziehen? Wer da "oben" bleiben will,
muß letztlich auch bestimmten mora–
lischen Vorstellungen entsprechen.
Was wünscht sich die mehrfache
Olympiasiegerin von München für
den Sport der Zukunft?
Auf der einen Seite, daß der Lei–
stungssport die Anerkennung erhält
die er verdient, denn es wird hi
wirklich Außerordentliches geleistet;
zum anderen, daß die Zuschauer
noch mehr angeregt werden, selber
aktiv Sport zu treiben.
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