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3.3.4 SMV in der Bundesrepublik Deutschland
Auch beim Wiederaufbau des Schulwesens in der Bundesrepublik knüpfte man an die Traditionen der
deutschen Reformpädagogik an. Zugleich folgte man Forderungen der Besatzungsmächte nach Erzie-
hung zu staatsbürgerlicher Verantwortung und Vermittlung formal-demokratischer Verhaltensweisen.
So war es Ziel amerikanischer Besatzungspolitik, aus der eigenen demokratischen Tradition heraus ein
kooperatives Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern anzubahnen, zur Selbstständigkeit in Denken
und Handeln zu erziehen und demokratische Grundwerte zu vermitteln. Leitend war hierbei die Idee
von der Demokratie als Lebensform.
Freiwillige Arbeits- und Interessengemeinschaften, Musizier- und Theatergruppen, die Herausgabe
einer Schülerzeitung, die Organisation von Schulfesten usw. waren bis Mitte der 60er-Jahre typische
Inhalte der Schülermitverantwortung.
Das war vielen Schülern zu wenig: Im Gefolge der Studentenunruhen Ende der 60er-Jahre formierte
sich auch eine Schüleropposition, die sich von den bisherigen SMV-Konzepten distanzierte. Die da-
malige SMV empfand man als Spielerei im von der Schulleitung zugelassenen Maß und als Mittel zur
politischen Disziplinierung, also zur Ruhigstellung der Schüler. Statt bloß bei der Gestaltung des Ge-
meinschaftslebens mitzuwirken, strebte man aber nach einer wirksamen Interessenvertretung gegen-
über den Entscheidungsträgern in der Schule und im Elternhaus. Ziel war es, auch in Bereichen
des Unterrichts,
der Lehrplangestaltung,
der Auswahl von Unterrichtsmitteln,
der Unterrichtsmethoden oder der
Leistungskontrollen mitbestimmen zu dürfen.
Die Forderungen blieben nicht ohne Erfolg: Nach 1968 wurden in vielen Ländern Schulgesetze und
SMV-Erlasse überarbeitet, sodass eine stärkere Beteiligung der Schüler am Schulleben möglich wurde.
In Bayern gelangen Ende der 1970er-Jahre auch Versuche zur Beteiligung von Schülern an der Ent-
wicklung der Lehrpläne, um deren Schülerorientierung zu verbessern. Und die 2008 erfolgte Neufassung
des BayEUG sichert dem neu geschaffenen Landesschülerrat (
→
1.3.1 „Landesschülerrat“) das Recht
zu, Vorschläge beim Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst (
→
4 „Kultus-
ministerium und Kultusministerkonferenz“) einzubringen.