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Das britische EU-Referendum
Einsichten und Perspektiven 2 | 16
unbegrenzte Zugang zum EU-Binnenmarkt ist nur dann
realistisch, falls die britische Regierung sich dazu bereit
erklärt, weiterhin die rechtlichen Rahmenbedingungen
des Binnenmarktes zu akzeptieren.
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Die völlige politische
Autonomie Großbritanniens, die die
Vote-Leave-
Kampa-
gne
nach dem Brexit anscheinend anstreben wollte, gibt
es weder für die Nicht-EU-Mitglieder im Europäischen
Wirtschaftsraum (EWR) Norwegen, Island und Lichten-
stein, noch für die Schweiz, die nur bilateral mit der EU
assoziiert ist. Die EWR-Staaten haben sich im Gegenzug
zur vollen Teilnahme am EU-Binnenmarkt dazu verpflich-
tet, die geltenden Verordnungen vollständig zu beachten.
Dazu gehört auch die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Selbst
die Schweiz, die nicht im EWR ist, musste in mühsamen
bilateralen Verhandlungen mit der EU viele der Verord-
nungen des Binnenmarktes implementieren. Dazu gehört
auch die Personenfreizügigkeit mit der EU und das Schen-
gen-Abkommen.
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Auch innenpolitisch stellt der Austritt aus der EU die
britische Regierung vor zahlreiche Herausforderungen.
37 Jean-Claude Piris: If the UK votes to leave: The seven alternatives to EU
membership, London 12.01.2016,
https://www.cer.org.uk/publications/ar-chive/policy-brief/2016/if-uk-votes-leave-seven-alternatives-eu-mem-
bership [Stand: 14.06.2016].
38 Europäische Union: Die Schweiz und die EU. Eine enge Partnerschaft,
http://eeas.europa.eu/delegations/switzerland/eu_switzerland/political_relations/index_de.htm [Stand: 14.06.2016].
Camerons Nachfolgerin, Theresa May, wird nicht nur über
den Austritt ihres Landes aus der EU verhandeln müssen,
sondern sich sehr wahrscheinlich früher oder später mit
einem zweiten schottischen Unabhängigkeitsreferendum
konfrontiert sehen. Dies ist äußerst wahrscheinlich, da
der Brexit gegen die deutliche Mehrheit der schottischen
Wähler entschieden wurde. Nichola Sturgeon, die Par-
teivorsitzende und erste Ministerin Schottlands, hatte
unmittelbar nach Verkündung der Brexit-Entscheidung
ein erneutes schottisches Unabhängigkeitsreferendum in
Aussicht gestellt. Sturgeon betonte dabei, dass die Brexit-
Entscheidung nicht von den schottischen Wählern getra-
gen werde, die die Zukunft ihrer Region weiterhin in der
EU sehen.
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Die Schotten sind traditionell weitgehend
pro-europäisch eingestellt, da das Land von der EU sub-
stantielle finanzielle Unterstützung für seine Infrastruktur
erhält und zudem befürchtet, außerhalb der EU zu stark
von dem Rivalen England abhängig zu sein. Großbri-
tanniens Austritt aus der EU könnte folglich mit einiger
Wahrscheinlichkeit zur schottischen Unabhängigkeit und
damit zum beginnenden Zerfall des Vereinten Königrei-
ches führen.
39 The Guardian: Nicola Sturgeon: second Scottish referendum poll high-
ly likely, 24.06.2016,
http://www.theguardian.com/politics/2016/jun/24/alex-salmond-second-scottish-independence-referendum-is-certain
[Stand: 07.07.2016].
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Quelle: Lord Ashcroft Polls
Befragung von 12 000 Wählern am Tag der Wahl
*Sozialklassen des britischen National Readership Survey (NRS):
AB = Mittelklasse und gehobene Mittelklasse, C1 = untere Mittelklasse,
C2 = Facharbeiter, DE = Arbeiter und Geringverdiener
So stimmten die Briten ab
Bei der Abstimmung der Briten zum Austritt aus der EU stimmten
die Wähler verschiedener Bevölkerungsgruppen so ab (in Prozent):
in der EU bleiben die EU verlassen
18 - 24 Jahre
48 % 52 %
73 27
62 38
52 48
44 56
43 57
40 60
alle
Befragten
25 - 34
35 - 44
45 - 54
55 - 64
65 und älter
Altersgruppen
Klasse AB
57 43
soziale Klassen*
Klasse C1
49 51
Klasse C2
36 64
Klasse DE
36 64
Verteilung britischer Wähler für und gegen den EU-Austritt nach Altersgruppen;
Ergebnis des Brexit-Referendums
Grafiken: picture-alliance/dpa-infografik
Soll das Vereinigte Königreich
ein Mitglied der Europäischen
Union bleiben oder die Euro-
päische Union verlassen?
Ein Mitglied
der EU bleiben
Die Europäische
Union verlassen
Briten stimmen für EU-Ausstieg
48,1 %
51,9 %
Quelle: BBC
Wahlbeteiligung: 72,2 %
24305
So haben die britischen Wähler beim
Brexit-Referendum
am 23.6. gestimmt:
So haben die Wähler
in den 382
Wahlkreisen
mehrheitlich gestimmt:
London
Schottland
Wales
Nord-
irland