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Wie der Mentor Tobias mit der Siebtklässlerin Eva redet, hat er in der Mentorenausbildung theoretisch
gelernt und praktisch eingeübt. Tobias glaubt zwar selbst nicht, dass die Formen des conditionnel im
Wörterverzeichnis zu finden sind, aber er hält es für wichtiger, dass Eva diese Erfahrung selbst macht.
Tobias begleitet sie dabei; er will sie erleben lassen, dass sie aus eigener Kraft einen Lösungsweg
finden kann, wenn sie nur nicht aufgibt.
Schülermentoren lernen in einem Wahlkurs, solche Arbeits- und Lernprozesse von Schülern zu
betreuen. In dieser Ausbildung werden Theorie und Praxis gekoppelt und alles, was theoretisch be-
sprochen wurde, wird auch praktisch erprobt.
An manchen Schulen bekommen sie Geld für ihre Arbeit, schließlich haben sie während eines langen
Schuljahres in ihre Rolle finden müssen, um die Mitschüler mit professionellen Methoden zu unter-
stützen. Mentoren sind aufgrund ihrer langen Ausbildung also mehr als eine Aufsichtshilfe für Haus-
aufgaben am Nachmittag und auch keine Nachhilfelehrer.
Aha! Die Tutoren helfen also jüngeren Schülern, sich in ihrer neuen Schulumgebung zurechtzufinden,
und die Mentoren begleiten andere Schüler unterstützend bei Lernschwierigkeiten. Aber was ist jetzt
mit diesen „Mediatoren“?
Mediatoren
Ein anderes Wort für Mediation ist Streitschlichtung. Mediatoren sind also Streitschlichter. Denn im
Schulalltag treffen unterschiedliche Meinungen, Interessen und Bedürfnisse aufeinander, die oft auch
mehr oder minder schwere Konflikte und Streitigkeiten auslösen. Hier hilft der Streitschlichter: Er ver-
mittelt als Unparteiischer zwischen den Streithähnen. Sein Ziel ist es, eine einvernehmliche Lösung für
den Konflikt zu finden. Dieses Ziel kann aber nur dann erreicht werden, wenn die Streitenden bereit
sind, etwas zur Lösung des Konflikts beizutragen.
Mediatoren haben während ihrer Ausbildung gelernt, wie man Konfliktlösungsgespräche führt und wie
man sich in Konfliktsituationen angemessen verhält. Sie versuchen gegenüber den Streitparteien neu-
tral zu bleiben und achten darauf, dass diese sich gegenseitig aussprechen lassen und keine beleidi-
genden Worte verwenden. Streitschlichter sind Vertrauenspersonen, deshalb geben sie niemandem
Auskunft über Inhalt und Verlauf der Konfliktgespräche.
In einem Vertrag wird der Streithergang festgehal-
ten. Dieser umfasst außerdem die Namen aller am
Konflikt Beteiligten, den Grund des Konfliktes, die
Namen der Streitschlichter und eine Formulierung
der einvernehmlichen Lösung. Diesen Vertrag unter-
schreiben alle Beteiligten.
Die wichtige Rolle des Streitschlichters macht eine
umfassende Ausbildung dringend erforderlich. Die-
se Ausbildung sollte nicht nur einmalig besucht,
sondern jährlich wiederholt und aufgefrischt wer-
den. Regelmäßig stattfindende „Reflexionstreffen“
aller Streitschlichter der Schule verbessern die
Streitschlichtung zudem. Bei solchen Reflexions-
treffen können sich die Mediatoren untereinander
über ihre Probleme und Schwierigkeiten austauschen
und gemeinsam Lösungen finden.
Zum Weiterlesen
Rosenberg: Konflikte lösen durch Gewaltfreie Kommunikation. Herder. Freiburg. 2004