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Der „Emigrantenstein“ von 1796: steinernes Zeugnis europäischer Geschichte

Einsichten und Perspektiven 1 | 16

Jahre stand dort der Hinweis „Gedenktafel für [!] einen

französischen Emigranten“. Erst im Januar 2016 erfolgte

nunmehr die Berichtigung mit dem zutreffenden Text

„Gedenkstein, Danksagung eines französischen Emigran-

ten für gewährtes Asyl, in den Sandsteinfelsen gehauene

Inschrifttafel, bez. 1796“. Die Inschrift selbst ist – bis-

lang – dem offiziellen Listeneintrag nicht beigefügt. Wer

sich also mit den Besonderheiten des Denkmals befassen

will, muss sich an Ort und Stelle begeben.

Die digitale Suche nach literarischen Hinweisen auf

den „Emigrantenstein“ erweist sich als wenig ergiebig. Der

Wortlaut der Inschrift findet sich nur in dem 1984 von Eli-

sabeth Roth herausgegebenen Werk „Oberfranken in der

Neuzeit bis zum Ende des Alten Reichs“, das bisher nicht

als Digitalisat zugänglich ist. Matthias Winkler bezieht

sich in seiner Arbeit „Die Emigranten der Französischen

Revolution in Hochstift und Diözese Bamberg“, seit 2010

abrufbar als Onlineversion im Hochschulschriftenserver

der Universität Bamberg, hierauf und druckt den Text

der Inschrift vollständig ab. Über eine lokalgeschichtliche

Veröffentlichung, den „Hummelgauer Heimatboten“, und

die darin dokumentierten Reisebeschreibungen aus den

Jahren 1692 bis 1966 erschließt sich eine authentische

historische Quelle: Im Sommer 1798 wanderte der junge

Schriftsteller Ernst Moritz Arndt (1769–1860) von Bay-

reuth nach Wien. Er setzt dem „Emigrantenstein“ ein frü-

hes literarisches Denkmal. In der ersten Auflage seiner Rei-

sebeschreibung „Bruchstücke einer Reise von Baireuth bis

Wien“, erschienen 1801 in Leipzig, gibt Arndt nicht nur

den Wortlaut der Inschrift wieder, sondern dokumentiert

auch seine Empathie für das Schicksal der französischen

Emigranten mit den Worten: „Auch ein Emigré bleibt ein

Mensch und menschlich sein gewaltiges Schicksal, welches

ihm keine Stätte in der bewohnten Welt zu lassen scheint.“

In der zweiten Auflage dieser Publikation im Jahr 1804 ist

der Hinweis auf den „Emigrantenstein“ entfallen.

Die Danksagung des „französischen Ausgewanderten“

auf dem „Emigrantenstein“ an König Friedrich Wilhelm

II. und dessen Minister Carl August von Hardenberg lenkt

den Blick auf die besondere geopolitische Situation des

Bayreuther Landes. Der starke Einfluss des Königreichs

Preußen auf die hohenzollern’schen Fürstentümer Bayreuth

und Ansbach geht auf das Jahr 1792 zurück. Hardenberg,

vom preußischen König Friedrich Wilhelm II. als Minis-

ter eingesetzt, regierte in den beiden Fürstentümern ab

1792 bis zu seiner Rückkehr nach Berlin „wie ein König“.

Ansicht Bayreuths um 1800

Abbildung: Historisches Museum Bayreuth