Schulversuch Flexible Grundschule - Dokumentation, Ergebnisse, Emfpehlungen für die Praxis - page 13

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I Der Schulversuch Flexible Grundschule: Grundlagen, Ziele, Ergebnisse
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1 Grundlagen und Ziele
Die Förderung in der frühen Kindheit ist ent-
scheidend für die Bildungsbiografie eines Kindes
– darüber sind sich Wissenschaft und Politik einig.
Jedes Kind muss seinen Weg gehen können und
dabei entsprechend gefördert werden, egal wo es
lebt und welcher Herkunft es ist. Deshalb wurde in
Bayern eine Reihe von Maßnahmen beschlossen,
die dieser wichtigen Entwicklungsphase Rechnung
tragen: Kooperationsbeauftragte in Kindertages-
einrichtungen und Grundschulen wurden bestellt,
um gemeinsam Lernchancen zu nutzen, der Vor-
kurs „Deutsch 240“ wurde eingerichtet, um Teilha-
bechancen und sprachliche Integration zu fördern,
und die Bayerischen Bildungsleitlinien ebneten
den Weg für einen konstruktiven Austausch aller
Bildungsorte und für einen gelingenden kontinu-
ierlichen Bildungsverlauf. Auch der Modellversuch
„KiDZ – Kindergarten der Zukunft in Bayern“ der
Stiftung Bildungspakt Bayern gab wichtige Impulse
für eine intensive Kooperation von Kindertagesein-
richtung und Grundschule. Das 2012 in Kraft ge-
tretene Bildungsfinanzierungsgesetz ermöglichte
durch die Ausweitung der Vorkurse auf deutsch-
sprachig aufwachsende Kinder mit Sprachförder-
bedarf und zusätzliche personelle Ressourcen für
die Zusammenarbeit zwischen Kindertageseinrich-
tung und Grundschule weitere zielführende Maß-
nahmen an dieser wichtigen Schnittstelle.
Die Einrichtung jahrgangsgemischter Klassen
erfolgte in Bayern in den vergangenen Jahren ins-
besondere, um Standorte zu sichern und im Hin-
blick auf das Alter von Grundschulkindern dem
Grundsatz „Kurze Beine – kurze Wege“ gerecht
zu werden. Bisweilen waren auch pädagogische
Überlegungen ausschlaggebend für die Einführung
jahrgangsgemischter Klassen. In allen Fällen hat
die Bildung dieser Klassen ein deutliches Mehr an
Heterogenität bei den Begabungen und der Leis-
tungsfähigkeit, aber auch hinsichtlich der sozialen
und kulturellen Vorprägung der Schülerinnen und
Schüler zur Folge.
Der Umgang mit Heterogenität ist eine her-
ausfordernde Aufgabe für Grundschullehrerin-
nen und -lehrer, zugleich aber auch eine große
Chance für mehr Unterrichtsqualität. Die Ergeb-
nisse verschiedener nationaler empirischer For-
schungsprojekte zum jahrgangsgemischten Ler-
nen bestätigen diese Chance und verweisen auf
die Vorteile insbesondere hinsichtlich der sozial-
emotionalen Entwicklung der Schülerinnen und
Schüler; im Hinblick auf den Lernzuwachs hat
sich das Lernen in jahrgangsgemischten Klassen
als mindestens gleichwertig bzw. tendenziell po-
sitiv herausgestellt. (
vgl. Kap. V 1)
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen und
dem Ziel, ein Unterrichtskonzept zu erproben und
zu entwickeln, das die Heterogenität nutzt und eine
qualitative Weiterentwicklung des Unterrichts in
jahrgangsgemischten Klassen sicherstellt, initiier-
ten die Stiftung Bildungspakt Bayern und das Bay-
erische Staatsministerium für Bildung und Kultus,
Wissenschaft und Kunst im Schuljahr 2010/2011
den Schulversuch Flexible Grundschule.
Das Konzept der Flexiblen Grundschule basiert
auf jahrgangsgemischten Klassen, in denen die
den Kindern aus der Kindertageseinrichtung ver-
traute Altersmischung fortgeführt und unterricht-
lich genutzt wird. Je nach Schulbesuchsdauer ha-
ben die Schülerinnen und Schüler eine definierte
soziale Rolle, die für das Voneinander- und Mit-
einanderlernen andere Gestaltungsmöglichkeiten
eröffnet, als dies in jahrgangshomogenen Klassen
möglich ist. Die Verschiedenheit an Wissen und
Können, die auch in jahrgangshomogenen Klassen
deutlich zu spüren ist, und die bestehenden Ent-
wicklungsunterschiede der Kinder, die zum Zeit-
punkt der Einschulung bis zu drei Jahre betragen,
können dadurch noch besser genutzt werden. Da-
mit unterschiedlich entwickelte und begabte Kin-
der aber nicht nebeneinander, sondern von- und
miteinander lernen, bedarf es eines passgenauen
didaktisch-methodischen Konzepts.
Erklärtes Ziel des Modellprojekts war es, den
Schülerinnen und Schülern Wege zu eröffnen, die
ihren unterschiedlichen Begabungen und Inter-
essen sowie ihrer individuellen Lernentwicklung
bestmöglich gerecht werden. Jedes Kind soll die
Zeit bekommen, die es benötigt, um die vorge-
sehenen Kompetenzen zu erwerben. In der Folge
sieht die Flexible Grundschule ein passgenaues
und individualisierendes Lernangebot für die Ein-
gangsstufe, d. h. die Jahrgangsstufen 1 und 2,
vor und beinhaltet weitere Kernelemente, die die
individuelle Lern- und Leistungsentwicklung des
Kindes in den Mittelpunkt rücken.
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