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unterrichtsdifferenzierende

Maßnahmen zu erreichen .

Deren praktische Umset–

zung gelingt aber in homo–

genen Lerngruppen eher als

in Schulklassen, in denen die

ganze Spannbreite an Be–

gabungen vertreten ist.

Persönlichkeitsentwicklung

durch Differenzierung

Unterrichtliche oder schu–

lische Differenzierungsmaß–

nahmen sollen die individu–

elle Persönlichkeitsentwick–

lung aller Kinder pädago–

gisch unterstützen, indem ei–

ne Übereinstimmung zwi–

schen der schulischen Lern–

umwelt und den jeweiligen

Lern- und Leistungsvoraus–

setzungen angestrebt wird .

Dahinter steht die durch em–

pirische Untersuchungen ab–

gesicherte Annahme, dass

bei der Entwicklung eines

Kindes individuelle und sozi–

ale Bedingungen in Wech–

selwirkung zueinander ste–

hen. Die Anpassung der

schulischen Lernumwelt an

die persönlichen Bedürfnis–

se des einzelnen Kindes hat

ein doppeltes Ziel : Einer–

seits will man dadurch das

individuelle Lernpotential in

entsprechende Leistungen

umsetzen, andererseits soll

das Lernpotential maximal

ausgeschöpft werden, in–

dem man die Schüler zum

selbständigen Lernen befä–

higt. Die Verlängerung der

undifferenzierten Grundschu–

le würde somit für die Per–

sönlichkeitsentwicklung bei

den meisten Kindern von

Nachteil sein. Natürlich gibt

es immer wieder Ausnah–

men, denen jedoch die

Durchlässigkeit im geglie–

derten Schulsystem hinrei–

chend Rechnung tragen

kann .

Schulerfolgsprognosen nach

der 4. bzw. 6. Klasse

Die immer wieder ins Feld

geführte Behauptung, dass

bei vielen Kindern aus ent–

wicklungspsychologischen

Gründen eine Eignung, z.B.

für Realschule oder Gymna–

sium, erst im fünften bzw.

sechsten Schuljahr feststell-

bar ist, entbehrt jeder

empirischen Grundlage.

Eine neuere Studie hat

im Gegenteil gezeigt,

dass sich spätestens ab

der vierten Jahrgangs–

stufe die individuellen

Leistungsunterschiede bei

der Mehrzahl der Grund–

schüler auch in den

kommenden Schuljahren

nicht mehr dramatisch

verändern. Nicht auszu–

schließen sind Verände–

rungen vorwiegend bei

Schülern, die aufgrund un–

günstiger familiärer Verhält–

nisse oder fehlender Motiva–

tion weit unter ihren Mög–

lichkeiten bleiben. Für diese

Gruppe könnten schulpsy–

chologische Eignungsunter–

suchungen und Schullauf–

bahnberatungen am Ende

der vierten Klasse - besser

noch früher, um allzu gro–

ßen Defiziten vorzubeugen

- die Schuleignungsprogno–

se verbessern.

Sowohl nach älteren als

auch nach jüngeren Unter–

suchungen sind Schuleig–

nungsprognosen am Ende

der vierten Klasse für die

25 bis 30 Prozent Leis–

tungsbesten und das untere

Leistungsdrittel oder -viertel

allein aufgrund der Schulno–

ten relativ zuverlässig. Für

die breite Durchschnittsgrup–

pe könnte die Genauigkeit

der Schulerfolgsprognose in

der vierten Klasse unter Ein–

beziehung von Begabungs–

tests im Einzelfall noch er–

heblich verbessert werden.

Somit sind am Ende der vier–

ten Klasse einigermaßen

treffsichere Prognosen hin–

sichtlich des Schulerfolges

bei immerhin 60 bis 70 Pro–

zent der Grundschüler mög–

lich. Bislang existieren kei–

ne Studien, die höhere Tref–

ferquoten nach einer fünf–

oder sechsjährigen Grund–

schulzeit nachweisen. Auch

hier sind pädagogische

„Eine höhere

Treffsicherheit

der Prognose

nach sechs Jahren

Grundschule

ist nicht nach–

gewiesen."

Wunschvorstellungen

der

Ausgangspunkt für die For–

derung, die schul ische Dif–

ferenzierung aufzuschieben.

Fazit: Eine Verlängerung

der vierjährigen Grundschu–

le würde keine erkennbaren

Vorteile, wohl aber mit Si–

cherheit Nachteile für viele

Grundschüler mit sich brin–

gen . Diese betreffen nicht

nur den Aspekt der Leis–

tung, sondern auch den der

Persönlichkeitsentwicklung

und berühren damit letztlich

die Zukunftschancen der Ju–

gendlichen . Dass die ge–

meinsame - undifferenzier–

te - Unterrichtung von Kin–

dern mit verschiedenen Lern–

und Leistungsvoraussetzun–

gen auf Dauer die Bega–

bungs- und Leistungsunter–

schiede vergrößert, ist in–

zwischen eine psychologi–

sche Binsenweisheit. Folg–

lich muss die Forderung lau–

ten : Verstärkung und nicht

Reduzierung der unterrichtli–

chen und schulischen Diffe–

renzierung.

Professor

Dr. Kurt

A.

Hel–

ler,

Lehrstuhlinhaber für

Pädagogische Psychologie

an der Ludwig-Maximilians–

Universität in München, ist

ein ausgewiesener Experte

für Begabungsforschung.

Er

hat zu diesem Thema zahl–

reiche wissenschaftliche Ar–

beiten publiziert.

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