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aviso 4 | 2016

GRÜSS GOTT JAPAN – KONNICHIWA

バイエルン

COLLOQUIUM

Was hören wir, wenn es still ist?

Handeln abseits des Mainstreams

WENN WIR DIE

Welt auf das reduzieren, was die begrenzte

Aufnahmefähigkeit unserer Sinne uns täglich sehen oder

hören lässt, entgehen uns Erfahrungen und Erlebnisse, die

wir vielleicht – unbewusst oder bewusst – schon immer ver-

misst haben. Wir wissen und spüren ja, dass die Vielfalt der

Welt unser Leben nur selten erreicht. Soweit so gut. In der

Regel aber ist unsere Aufmerksamkeit nur auf das gerichtet,

was uns quasi vor die Füße fällt, wir agieren zielgerichtet.

Wenn wir aber von der »Zielgrade« abweichen und einen

anderen Weg einschlagen, was erwartet uns dann? Was

hören wir, wenn es vermeintlich still ist?

In einer Zeit, in der wir permanent Geräuschen, Nachrich-

ten, Werbung, immer schneller werdenden Abläufen aus-

gesetzt sind, steigert sich – zumindest für Anspruchsvolle –

der Mehrwert von Ereignissen, die abseits gesellschaftlicher

Mainstreams stattfinden und nicht kurzatmigen »Eventisie-

rungen« unterworfen sind. Dinge, Aktionen und Zustände,

die erst auf den zweiten, dritten oder gar vierten Blick wahr-

genommen werden, haben dabei bereits ihre subtile Wirkung

auf uns im alltäglichen Leben entfaltet. Denken wir nur an

die vielen sozialen, bürgerschaftlichen und ökologischen

Engagements oder interkulturellen Gemeinschaftsprojekte,

die bereits in vielen Städten und ländlichen RegionenWirk-

lichkeit sind. Aber auch die Mikrowelt mit ihren phantas-

tischen Wesen und Formen belegt, wie viele Parallelwelten

um uns herum existieren. Sie alle sind Kleinodien, die es

gilt, bewusst zu machen, zu pflegen und zu erhalten, denn

sie sind Lebensgrundlage, schaffen Identifikationsmöglich-

keiten, stärken Authentizität und Toleranz als Basis für ein

lebendiges Miteinander. So vermitteln beispielsweise Kul-

turschaffende, Forscher, NGOs oder Ehrenamtliche in ihren

Werken bzw. Taten ein gemeinsames soziales Gewissen und

weisen auf politische, gesellschaftliche und umweltrelevante

Themen hin, die bestenfalls ein Gefühl der Verantwortung

erzeugen.

DAS INTERESSE VIELER

Künstler, die gleich Trüffeljägern

Verborgenes aufspüren und sich ihm inhaltlich verschreiben,

gilt nicht nur einer Ästhetik der Darstellung. Ihre Kunst-

formate leben aus dem Prozesshaften, sie konstruieren

Situationen, intervenieren in das Alltagsgeschehen, sie hin-

terlassen individuelle Erfahrungen und Erinnerungen. Sol-

che Kunst macht den öffentlichen Raum zur Bühne und lässt

Grenzen verschwimmen, die allzu oft zwischen Kunst und

»Realität« gezogen werden.

Text:

Serafine Lindemann