Table of Contents Table of Contents
Previous Page  34 / 52 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 34 / 52 Next Page
Page Background

|34|

aviso 1 | 2015

DIGITALE WELTEN

COLLOQUIUM

Traumatherapeuten und Trauma-Ambulanzen fin-

det man beispielsweise auf den Internetseiten der

Deutschen Gesellschaft für Psychotraumatologie

(DeGPT) oder des Deutschen Instituts für Psy-

chotraumatologie (DIPT). Traumapsychothera-

pie kann mit einer medikamentösen Behandlung

kombiniert werden. Zum Beispiel wird Patientin-

nen und Patienten, die unter PTBS-assoziierten

Schlafstörungen oder selbstverletzendemVerhalten

leiden, in der Trauma-Ambulanz des Max Planck-

Instituts für Psychiatrie angeboten, sich parallel

zur Psychotherapie auch einer symptomatischen

medikamentösen Behandlung zu unterziehen.

Petra wird bald in eine Psychiatrische Klinik verlegt.

Dort wird zunächst eine Panikstörung, eine Post-

traumatische Belastungsstörung (PTBS) festgestellt.

Nach ein paar Tagen, vielen Gesprächen und der

Einnahme eines schlaffördernden Antidepressivums

geht es Petra etwas besser. Sie freut sich sogar, dass

Jessi vorbeikommt, um sie zu besuchen.

Dem Pflegepersonal auf Station fällt irgendwann

auf, dass Petra Mitpatienten Geld bietet, um ihre

Smartphones benutzen zu können. Die Assistenzärz-

tin spricht Petra darauf an. »Ist doch normal - wer

ist schon gerne offline? Ich habe kein Problem mit

dem Internet,« entgegnet Petra schnippisch. Die Ärz-

tin teilt ihr daraufhinmit, dass sie finde, dass Petra

ein selbstschädigendiges Verhalten und eine Sucht-

erkrankung, nämlich eine Internetabhängigkeit,

habe. Petra wird zunächst sehr wütend, muss aber

später zugeben, dass die Psychiaterin Recht hat. Petra

hat nämlich einem Mitpatienten 50 Euro geboten,

um 5 Minuten online zu gehen – und das, obwohl

sie bereits verschuldet ist und anderen Patienten

wegen Ausleihen von Computern undHandys schon

ein paar hunderte Euro schuldet. Irgendwann sieht

Petra auch ein, dass sie seit Jahren unter einemprob-

lematischen Internetkonsum leidet und dass sich die-

ser nach demÜberfall zu einer Internetabhängigkeit

mit Internetkaufsucht entwickelt hat.

Der wichtigste Bestandteil der Behandlung der

Internet-Sucht ist eine spezielle Verhaltenspsy-

chotherapie. Die erste Phase jeder Entwöhnungs-

therapie beinhaltet neben der Aufklärung über die

Erkrankung auch die Festigung der Therapiemoti-

vation der Betroffenen. Nur wenn ein Suchtpatient

seine Erkrankung als Erkrankung anerkennt und

wenn er oder sie bereit ist, sich der anstrengenden

Behandlung zu unterziehen, kann eine Entwöh-

nungstherapie erfolgreich sein. Eine der besonderen

Schwierigkeiten der Internet-Entwöhnungsthera-

pie ist, dass das Internet sehr einfach und überall,

auch daheim, mit einem einfachen »Klick« ver-

fügbar ist und zu unserem Alltag dazugehört. Die

Schwelle, das Internet zu nutzen, ist dadurch sehr

gering und liegt beispielsweise deutlich niedriger

als die Schwelle, sich auf den Weg zu einer Spiel-

bank zu machen.

Petra wird in eine Psychosomatische Klinik verlegt,

in der alle drei Erkrankungen, also die Panikstö-

rung, die PTBS und die Internetabhängigkeit behan-

delt werden. Diese Therapie ist sehr anstrengend –

irgendwann erkennt Petra, dass es notwendig ist,

sich genau den Situationen auszusetzen, vor denen

sie die meiste Angst hat. Sie muss nach einer Vor-

bereitungsphase immer wieder alleine raus gehen,

darf das Internet vorerst gar nicht öffnen und soll

gemeinsammit den Therapeuten den Ort des Über-

falls aufsuchen. Das alles ist entsetzlich, aber wir-

kungsvoll. Petra ist immer wieder kurz davor, die

Therapie abzubrechen, aber sie hält durch. Die Angst

nimmt von Tag zu Tag ab. Die Therapie kann nach

einigen Wochen ambulant fortgesetzt werden – in

einer Trauma-Ambulanz und in einer Spezialam-

bulanz für Internetabhängigkeit. Im folgenden

Semester nimmt Petra ihr Studium und ihren Job

weder auf. Sie geht noch über ein Jahr zur ambu-

lanten Psychotherapie. Petra kann ihr Leben wie-

der genießen – auch ohne Internet. Sie ist sich nach

der Therapie bewusst, dass sie eine Veranlagung

für Suchtverhalten hat.

Vorbeugende Maßnahmen

Was kann man tun, um der Entwicklung einer

Internetsucht, Internet-Spielsucht oder anderen

Internet-assoziierten psychischen Beschwerden vor-

zubeugen? Aufklärung ist eine besonders wirksame

Maßnahme, demAuftreten jedweder Suchterkran-

kungen vorzubeugen. Insbesondere Kinder und

Jugendliche sollten wiederholt über die Gefahren

der Nutzung digitaler Medien informiert werden.

Außerdem gibt es Filter-Programme, die demAuf-

rufen von nicht-kindgerechten Internetseiten ent-

gegenwirken. Solche Programme können zwar hilf-

reich sein, sind aber nicht in der Lage, den Konsum

nicht-altersgerechter Internetseiten oder Gewalt-

videos grundsätzlich zu verhindern. Daher sollte

man Kinder niemals unbeaufsichtigt das Internet

nutzen lassen und mit Jugendlichen regelmäßig

besprechen, welche Internetangebote sie am PC

und mit ihrem Smartphone konsumieren.

Sich selbst oder anderen grundsätzlich das Inter-

net zu versagen, ist nicht ratsam, da es zusammen

mit anderen digitalen Medien zu unserem Leben

rechts

Das Internet und das Medium PC sind allgegen-

wärtig – was das Suchtpotenzial erhöht.