Magazin Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 1/14) - page 46

Theodor Herzl um 1860
Foto: ullstein bild/Abraham Pisarek
Neben das Engagement für die Friedensidee und für die
Gleichberechtigung der Frau tritt in den 1890ern noch ein
drittes Betätigungsfeld – die Mitarbeit im Verein zur Ab-
wehr des Antisemitismus, den Arthur von Suttner 1891
gründet.
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Im Rahmen der Arbeit für den Anti-Antisemitis-
mus-Verein wird Suttner Mitbegründerin der Zeitschrift
Das freie Blatt, die allerdings 1897 wieder eingestellt wird,
und hält viele öffentliche Reden. Auch die Neue Freie Pres-
se und andere Zeitungen drucken ihre anti-antisemitischen
Feuilletons und Artikel.
Den gesellschaftlichen Reformbewegungen zum
Trotz verschlechtert sich das gesellschaftliche Klima in den
1890ern deutlich: Der Antisemitismus findet breitenWider-
hall und die Friedensbewegung stagniert. 1897 notiert die
nunmehr 54-Jährige in ihr Tagebuch: „Abends Versamm-
lung des Anti-Anti [Abwehrverein]. […] Versammlung nie-
derdrückend klein. Bei Lueger
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tausende – unbegreif-
lich!“
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Sie bleibt der Anti-Antisemitismusbewegung le-
benslang verbunden und verfällt im Gegensatz auch zu
vielen Friedensbewegten nicht den antisemitischen Ressen-
timents.
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Dieses Engagement bringt ihr den Spottnamen
„Judenbertha“ ein.
Haager Friedenskonferenz
Trotz der wenig ermutigenden gesellschaftlichen Entwick-
lungen ist Bertha von Suttner Ende des 19. Jahrhunderts op-
timistisch gestimmt, dass die Friedensidee sich durchsetzen
könne. Als ein Indiz dafür sieht sie das 1889 veröffentlich-
te Friedensmanifest des russischen Zaren Nikolaus II. an,
in dessen Folge sie sogar zu einer Unterredung mit dem
russischen Außenminister geladen wird. Zudem wird kurz
danach die Durchführung einer internationalen Friedens-
konferenz angekündigt, die in Den Haag stattfinden soll.
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Der Verleger Theodor Herzl beauftragt Suttner mit der Be-
richterstattung über die Konferenz für seine neu gegründe-
te Zeitung Die Welt.
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Neben ihrer Korrespondentinnentätigkeit unter-
hält die Friedensaktivistin während des gesamten Kongres-
ses einen Salon, in dem sich Delegierte und Friedensakti-
vistInnen treffen. Im Verlaufe der Konferenz interessieren
27 Suttner (wie Anm. 4), S. 244 ff. Harald Steffahn: Bertha von Suttner. Reinbek bei Hamburg 1998, S. 101 ff.
28 Der Wiener Bürgermeister Karl Lueger war für seinen Antisemitismus bekannt und diente Adolf Hitler als Vorbild. Siehe dazu u.a.
Hamann: Hitlers Wien. Lehrjahre eines Diktators.
8
München 1998, S. 496 f.
29 Suttner, zit. nach Hamann (wie Anm. 4), S. 218.
30 Hamann (wie Anm. 4), S. 277 f.
31 Suttner (wie Anm. 4), S. 428.
32 Hamann (wie Anm. 4), S. 258.
33 Kempf (wie Anm. 19), S. 55.
34 Hamann (wie Anm. 4), S. 260.
35 Rigler (wie Anm. 3).
36 Moebius, zit. nach Breiter (wie Anm. 2), S. 68.
„Die Waffen nieder" – Bertha von Suttners Leben gegen den Krieg
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sich immer mehr angesehene Zeitungen für die Korrespon-
dentin, die Neue Freie Presse erteilt ihr den Auftrag, alles
Interessante nach Wien zu senden.
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Theodor Herzl zufol-
ge ist sie der „inoffizielle Mittelpunkt des Ganzen“,
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der
Star der internationalen Friedensbewegung.
Doch wieder erhält Bertha von Suttner nicht nur
Anerkennung. Ende des Jahrhunderts entflammt der Anti-
feminismus in ungeahntem Maße.
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Frauen werden als
„[t]hierähnlich, unselbständig, [...] und heiter“
36
charakteri-
siert. Bertha von Suttner wird zur Zielscheibe der antifemi-
nistischen Kräfte und mit Spott und Hohn überzogen. Auf
den Titeln von Satirezeitschriften verunglimpfen Karikatu-
ren die bekannte Aktivistin der Friedensbewegung. Als die
Bemühungen Suttners und ihrer Mitstreiter, die Verhand-
lungen in Den Haag in ihrem Sinne zu beeinflussen, schei-
tern, wird auch dieser Misserfolg zum Anstoß für Kritik an
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