Magazin Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 1/14) - page 45

„Die Waffen nieder" – Bertha von Suttners Leben gegen den Krieg
Einsichten und Perspektiven 1 | 14
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23 Hamann (wie Anm. 4), S. 170 f.
24 Suttner (wie Anm. 4), S. 303 ff.
25 Hamann (wie Anm. 4), S. 189 f.
26 Sabine Weiss: Die Österreicherin. Die Rolle der Frau in 1000 Jahre Geschichte, Graz/Wien/Köln 1996, S. 300.
dersetzt. Die Zeitschrift wird trotz des schleppenden Be-
ginns ein publizistischer Erfolg. In fast allen großen Zei-
tungen in Europa werden die verschiedenen Ausgaben be-
sprochen und auch Artikel nachgedruckt.
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Trotzdem erhält
Suttner für ihre Herausgeber- und Autorschaft keinerlei
Honorar. Um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren,
schreibt die Friedensaktivistin nebenbei Zeitungsromane
und veröffentlicht Novellen in Familienblättern, Illustrier-
ten und Volkskalendern.
En passant beteiligt sich Suttner in jener Zeit maß-
geblich an der Gründung der deutschen, später der ungari-
schen Friedensgesellschaft.
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Frauenbewegung und Anti-Antisemitismus
Bertha von Suttner unterhält auch Kontakte zur damaligen
Frauenbewegung, die eine Blütezeit erlebt. Zwar wird sie
nicht Mitglied des 1893 gegründeten Allgemeinen Österrei-
chischen Frauenvereins,
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weil sie sich zeitlebens gegen die
damals im Feminismus vorherrschende Sichtweise wendet,
Frauen seien anders als Männer. Jedoch erklärt sie ihre Un-
terstützung für die Frauenbewegung, wird in der Folge auch
Vorsitzende des Friedensreferates des Frauenvereins und
hält jahrelang Vorträge im Rahmen feministischer Veran-
staltungen.
Aus: Bertha von Suttner: Die Barbarisierung der
Luft. Berlin 1912, S. 28-30.
Militärischerseits sind zwei Grundsätze in Geltung, die
eine genügende Erklärung für das Verhalten der Kriegs-
verwaltungen zum Luftflottenproblem enthalten:
1. Jedes neue technische Hilfsmittel muss in den Dienst
der Kriegsrüstung gestellt werden, und je schadenbrin-
gender, desto besser.
2. Alles was die „anderen“ zur Vermehrung ihrer militä-
rischen Kraft tun, das müssen „wir“ sofort nachmachen
und womöglich überbieten.
Mit diesen zwei Grundsätzen ist das pflichtgemäße Vor-
gehen, das schon bei vier Waffen ohne Wanken eingehal-
ten wurde, auch bei der „fünften Waff“ genügend er-
klärt und gerechtfertigt. Die Richtung ist gegeben, der
Weg gerade, das Ziel sichtbar. Wie zwei Scheuklappen
sind diese beiden Grundsätze um das geistige Auge be-
festigt, da heißt's nur immer gradausvor, – da gibt’s kein
Rechts- oder Linksdenken mehr. Die Frage um Neben-
wirkungen, um Schlussfolgerungen bleibt unerörtert, die
Frage: „Was dann?“ bleibt entweder ohne Antwort oder
wird mit Beschwichtigungen beiseite geschoben.
Es muss sich sehr bequem weitertraben lassen mit jenen
zwei Scheuklappen, denn merkwürdig: Die Massen, die
Parlamente, die Zeitungen, alle tragen sie, und nehmen
an, es muss so sein: Jedes Hilfsmittel hat zur Stärkung der
Wehrmacht zu dienen, und der Nachbar macht's, also
machen wir's auch. Nur die einzelnen, die Ungehörten,
die quälen sich mit dem so schreckensschwangeren: „Was
dann?“ Wenn nun das Wachsen der Luftapparate in den
nächsten zehn Jahren in dem Verhältnis zunimmt, wie es
in den letzten vier Jahren zugenommen hat, und ganze
Lufttruppen die Sonne verfinstern, wenn die Rüstungs-
ausgaben, die schon zur Zeit des Zarenmanifests als nicht
mehr zu ertragen anerkannt wurden, immer noch stei-
gen trotz Teuerung und Not, was dann? Wenn weitere
Erfindungen gemacht werden (wo hält man mit dem
Fernlenkboot?), wenn sich der Tod und die Vernichtung
sozusagen drahtlos im ganzen Raume werden ausstreuen
lassen, wie jetzt die Funkentelegramme, was dann, was
dann?
So steht doch Rede!
Aber auch ihr, in deren Hirnen diese bange Frage wühlt,
ruft sie doch lauter hinaus! Bleibet nicht stumm und
stumpf und resigniert, dränget eure Gewissensskrupel,
eure inneren Proteste nicht mit dem mutlosen Seufzer
zurück: „Es nützt ja doch nichts.“ Alles nützt. Wenn
Schlimmes geschieht, ist nicht nur der schuldig, der es tut,
sondern auch der es schweigend geschehen lässt.
Freilich, für uns Kriegsfeinde liegt die Erwägung nahe:
An dieser Ueberschürung seiner Flammen wird der gan-
ze Kessel „Krieg“ zerspringen. Also desto besser. Nein,
denn es kann die ganze Kultur mit explodieren. Oder
doch, es können fürchterliche Katastrophen, die vermeid-
bar sind, hereinbrechen. Und dann, es ist unwürdig, das
was man für Wahrheit hält, nicht zu sagen, nicht immer
und überall das, was man als Uebel, als Gefahr erkennt,
mit aller Kraft zu bekämpfen.
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