Schule & Wir 1|2014 - page 21

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didacta:
Warum brauchen Kin-
der Bildung von Anfang an?
Prof. Wassilios E. Fthenakis:
Die entwicklungspsychologische
Forschung hat gezeigt, dass Kin-
der sehr früh – bereits vor der Ge-
burt, spätestens aber unmittelbar
danach – erste Fähigkeiten entwi-
ckeln. Auch Lernneugier entsteht
sehr früh. Ökonometrische Studi-
en zeigen außerdem, dass vor al-
lem Investitionen in frühe Bildung
sowohl individuell als auch sozial
den höchsten Gewinn erzielen.
Die Entwicklung des Kindes muss
daher früh gestärkt werden.
Welche Aspekte sind dafür ent-
scheidend?
An der Universität Bremen haben
wir mit finanzieller Unterstützung
der Deutschen Telekom Stiftung
ein Konzept entwickelt, dass die
bisherige Elternarbeit verlässt
und die Familie als Bildungsort
mit berücksichtigt. Im Mittelpunkt
stehen zehn Aspekte familialer
Bildung: Beispielsweise welches
Bild vom Kind in der Familie ver-
treten wird, wie man das Kind als
aktiven Mitgestalter seiner eige-
nen Entwicklung ansieht, wie Bil-
dungsprozesse im Familienalltag
ko-konstruktiv organisiert werden
können, welche Prinzipien päda-
gogischen Handelns den Lernpro-
zess begünstigen und vor allem
Prof. Dr. mult. Wassilios E.
Fthenakis ist Herausgeber und
Ko-Autor des Buches „Früh
beginnen – die Familie als
Bildungsort“ im Rahmen des
Projekts Natur-Wissen schaffen
der Deutschen Telekom Stiftung
an der Universität Bremen.
welche Bedeutung der Qualität
der Interaktion zwischen Eltern
und Kind zukommt.
Warum ist die Familie für die
Entwicklung des Kindes so
wichtig?
Seit den 1960er-Jahren bele-
gen Studien, dass die Familie
die Entwicklung des Kindes und
seine Fähigkeiten am stärksten
prägt. An dieser Erkenntnis hat
sich während der letzten 50 Jah-
re nichts geändert. Familien sind
heute sehr unterschiedlich, Eltern
sind besser als je zuvor ausgebil-
det und haben Zugang zu Wissen
und Ressourcen. Der Familienall-
tag bietet eine Vielfalt von Lern-
gelegenheiten. Familien müssen
deshalb ihre eigenen Ressourcen,
Lern- und Bildungsmöglichkeiten
erkennen, im Interesse ihres Kin-
des systematisch nutzen und eng
mit der Bildungsinstitution zusam-
menarbeiten.
Wie sieht eine gute Zusammen-
arbeit aus?
Bisher ging es darum über die El-
ternarbeit die Beziehung zwischen
Familie und Bildungsinstitution zu
gestalten. Dabei überwog die in-
stitutionelle Perspektive, die Fa-
milie konnte nur eingeschränkt
mitwirken. Heute sprechen wir
von Bildungspartnerschaft. Denn
kindliche Bildung vollzieht sich
an verschiedenen Orten, in ers-
ter Linie in der Familie. Andere
Bildungsorte einzubeziehen trägt
dazu bei, dass sich das Kind bes-
ser entwickelt. Wichtig ist, dass
diese Bildungspartnerschaft auf
Augenhöhe stattfindet, mit gegen-
seitiger Akzeptanz und Wertschät-
zung, und dass dabei der Ansatz
der Ko-Konstruktion zur Anwen-
dung kommt. Das heißt, beide
Seiten sind Ko-Konstrukteure der
kindlichen Entwicklung.
Wie wirkt sich eine funktionie-
rende Bildungspartnerschaft
auf das Kind aus?
Erlebt ein Kind den wertschätzen-
den Umgang der Eltern und der
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