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Vorwort

„Der Mensch kann nichts Nützlicheres und Besseres kennenlernen als sich selbst und seine Natur“, schreibt Johann Peter

Hebel in einer seiner kleinen Geschichten, die als „Kalendergeschichten“ berühmt geworden sind.

Er meint damit wohl einerseits das „Erkenne dich selbst“, wie es über dem Apollotempel in Delphi gestanden hat,

weniger als, wie dort gemeint, Anfang allen Philosophierens, denn als ganz praktisch gemeinten Ratschlag für die Ein-

schätzung der eigenen Möglichkeiten, andererseits sieht er darin das „The Proper Study of Mankind Is Man“ Alexander

Popes: Wer etwas über die Menschen wissen wolle, der müsse sich mit den Menschen befassen.

Genau diesen beiden Zwecken dienen die kleinen Erzählungen, die Hebel im „Rheinländischen Hausfreund“, einem

Kalender mit Texten, gleichermaßen zur

utilitas

wie zur

delectatio

gedacht, veröffentlicht hat.

Was hätte sich dafür auch besser geeignet als ein Kalender, den man täglich betrachtete, vielleicht mit eigenen Eintra-

gungen versah und sich dann die wenigen Minuten Muße gönnte, um sich an der kleinen Geschichte zu erfreuen, über

sie zu reflektieren und eigenes Handeln zu überdenken!

Leider ist diese Art von Kalender schon lange und unwiederbringlich im Staub von Antiquariaten verschwunden.

Heute sind Kalender – wenn sie nicht überhaupt nur noch elektronisch existieren – Terminplaner, vollgestopft mit zeit-

lichen Verbindlichkeiten, oder prächtige Kunstkalender, die dem, der sich die Originale nicht leisten kann, gleichsam

nebenbei auch noch das Tagesdatum anzeigen.

Wir wollen dem (gedruckten) Kalender seine frühere Bedeutung wiedergeben: Er soll nutzen und erfreuen gleicherma-

ßen. Bei uns sollen Bilder (Kalender-)Geschichten erzählen, Geschichten aus zweihundert Jahren bayerischer Geschichte.

Denn auch Bilder sind Quellen, die vieles preisgeben, manchmal mehr, als das geschriebene Wort. Es sind Bilder, die

man nicht alle Tage sieht, (z.B. der eindrucksvolle Panoramastich der bayerischen Ständeversammlung 1819), die von

menschlicher Größe und menschlichem Leid erzählen (wie die Aufnahme von Dmitri Schostakowitsch), von Wahn und

Zerstörungswut (wie das Titelbild) oder davon, wie die erste deutsche Demokratie auf fast nichts zusammengeschrumpft

ist – auch in der Erinnerung (Taschentuch „Hambacher Fest“).

Wie die Kalendergeschichten des aufgeklärten Pädagogen Hebel sind auch die Bilder unseres Kalenders dazu angetan,

über sich selbst und unsere Haltung in der Gegenwart, über die Menschen, ihr Verhalten im Alltag und ihr Verhältnis

zu ihrer eigenen Geschichte zu reflektieren. Und wem das Bild die dahinter steckende Geschichte noch zu schemenhaft

erzählt, wem auch die Bildunterschrift noch nicht genügend Information bietet, der kann sich mithilfe einer Augmen-

ted-Reality-App die Geschichte in aller Ausführlichkeit erzählen lassen – diese Raffinesse haben wir dem „Rheinländi-

schen Hausfreund“ voraus.

So steht hoffentlich der

utilitas

wie der

delectatio

nichts mehr im Weg!

Dr. Harald Parigger

Direktor der Bayerischen Landeszentrale

für politsche Bildungsarbeit