Magazin Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 1/14) - page 24

brachte die Walachei und die Moldau wieder unter osmani-
sche Oberhoheit.
Die Gründung des Staates Rumänien nahm ihren
Anfang mit Alexandru Ioan Cuza, Offizier und Teilnehmer
der Revolution von 1848, der 1859 zum Fürsten der Mol-
dau und der Walachei gewählt wurde, deren Vereinigung er
unter dem Namen „Fürstentum Rumänien“ (und nach wie
vor unter osmanischer Oberhoheit) 1861 proklamierte. Cu-
za zeichnete für eine Reihe grundlegender Reformen ver-
antwortlich (wie die Einführung einer Grundschulpflicht,
die Erweiterung des Wahlrechts und die Enteignung der
Klöster), die geplante Enteignung der Großgrundbesitzer
(der sog. Bojaren) führte aber bereits 1866 zu seiner Abset-
zung. An seine Stelle trat am 10. Mai 1866 Prinz Karl von
Hohenzollern-Sigmaringen. 1878 gelang es ihm, das Osma-
nische Reich im Vorfrieden von San Stefano und die ande-
ren europäischen Großmächte auf dem Berliner Kongress
zur Anerkennung der Unabhängigkeit Rumäniens zu be-
wegen. 1881 begründete er als Carol I. das unabhängige Kö-
nigreich Rumänien. Der König hatte verfassungsrechtlich
eine starke Stellung, allerdings garantierte die Verfassung
auch weitreichende Bürgerrechte, wenngleich das Zensus-
wahlrecht die Großgrundbesitzer bevorteilte. Durch dieses
politische Ungleichgewicht konnten die Kleinbauern mit
hohen Steuer- und Pachtzahlungen belastet werden, die so-
zialen Verwerfungen, die dadurch entstanden, warenmit ur-
sächlich für den Bauernaufstand von 1907, der Rumänien an
den Rand eines Bürgerkriegs brachte und von der Armee
blutig niedergeschlagen werden musste. Vom wirtschaft-
lichen Aufschwung durch den Export von landwirtschaft-
lichen Gütern und Erdöl profitierten nur kleinere, v. a. städ-
tische Schichten.
„Großrumänien“
Im Ersten Weltkrieg blieb Rumänien, obwohl ursprünglich
vertraglich an denDreibund gebunden, bis 1916 neutral, trat
dann aber nach der Zusicherung ungarischer Gebiete durch
Russland auf Seiten der Entente in den Krieg ein. Nach dem
Ersten Weltkrieg entstand vor allem auf Kosten Ungarns
und Österreichs das sogenannte „Großrumänien“; es ge-
wann Teile des Banats, Siebenbürgen, Bessarabien, die
Bukowina und die Süddobrudscha hinzu. In diesem Staat
lebten nun nicht nur doppelt so viele Menschen wie in Vor-
kriegsrumänien; auch die Minderheiten waren stark ange-
wachsen: ca. 1,5 Millionen Ungarn, etwa 800.000 Juden, ca.
700.000 Deutsche, etwa 500.000 Ukrainer und ca. 350.000
Bulgaren, die ohne Autonomierechte für ihre Regionen dem
rumänischen Zentralstaat oft ablehnend gegenüberstanden.
Auch erkannten die betroffenen Nachbarstaaten die Ge-
bietsabtretungen nicht an.
Neue Serie: Ländernotizen 1. Folge: Bulgarien und Rumänien
Einsichten und Perspektiven 1 | 14
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Ion Antonescu im Mai 1943
Foto: ullstein bild - Walter Frentz
Gheorghe Gheorghiu-Dej im
Sommer 1957
Foto: ullstein bild
Karl Eitel Friedrich Zephyrinus Ludwig
von Hohenzollern-Sigmaringen um
1839; Fürst von Rumänien 1866–1881
und König von Rumänien 1881–1914
Foto: ullstein bild - adoc-photos / A. Liebert
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