STMUK_Handreichung_Organspende_2021_Web_BF

51 - - - - - - - - - 8 Leben mit dem neuen Organ Mit der erfolgreichen Transplantation eines Organs beginnt für den Empfänger ein zweites Leben, das sich nach einer Phase der Rehabilitation kaum von dem normalen Leben eines gesunden Menschen unterschei det. Je nach körperlichem Zustand wird der Transplantierte wieder seinem Beruf nachgehen und Sport treiben können – sofern er gewisse Vorsichtsmaßnahmen trifft und Infektionsrisiken vermeidet. Das Wichtigste ist in diesem Zusammenhang das Erlernen einer gewissen Selbstverantwortung für die eigene Gesundheit, denn trotz aller Euphorie für die wiedergewonnene Lebensqualität hat das neue Leben aus medizinischer Sicht Besonderheiten, die beachtet werden müssen. 8.1 Abstoßungsreaktionen Während das operative Vorgehen im Rahmen einer Organtransplantation heute in der Regel für entsprechend erfahrene Chirurgen Routine ist, kann die postoperative Betreuung gerade in der ersten Phase nach Transplan tation immer noch eine medizinische Herausforderung darstellen. Die Patienten sind in dieser Zeit in besonde remMaße durch akute Abstoßungsreaktionen des eigenen Körpers gegen das transplantierte Organ gefährdet. Diese entstehen durch die Reaktion des Empfänger-Immunsystems, das das genetisch fremde Spenderge webe als nicht-eigen erkennt und entsprechend mit Abwehrmaßnahmen darauf reagiert. Dabei spielen die T-Lymphozyten des Blutes eine zentrale Rolle. Sie erkennen mit Hilfe eines Rezeptors die fremde Information (HLA-Antigene) auf den Spenderzellen und setzen entsprechende Signalstoffe (Interleukine etc.) frei. Diese initiieren die Ausbildung von spezifischen Abwehrzellen (zytotoxische T-Zellen), die das transplantierte Organ infiltrieren und dessen Zellen angreifen. Ebenfalls durch diese Signalstoffe stimulierte B-Lymphozyten wan deln sich zu Plasmazellen um und produzieren Spender-spezifische Antikörper. Durch deren Kontakt mit dem fremden Antigen werden Fresszellen (Phagozyten) aktiviert, die auch zur Zerstörung des transplantierten Gewebes beitragen. Die Stärke der Immunreaktion hängt unter anderem davon ab, wie ausgeprägt die genetischen Unterschiede zwischen Spender und Empfänger sind; ideal wäre ein Spender, der dem Empfänger sehr ähnlich ist. Das Warten auf ein Organ mit einer möglichst großen Übereinstimmung der genetischen Merkmale ist allerdings in der Regel nur bei der Niere möglich, da hier die Transplantation im Gegensatz zu Herz, Lunge oder Leber meist nicht hoch dringlich und lebensrettend ist, sondern mit Hilfe der Dialyse abgewartet werden kann, bis ein optimaler Spender zur Verfügung steht. Die durch die genetischen Unterschiede initiierte Immunreaktion ist gerade in der ersten Zeit nach Transplan tation besonders stark und muss durch Medikamente (Immunsuppressiva) unterdrückt werden. Unter der kontinuierlichen Therapie nimmt die Aggressivität des Immunsystems mit der Zeit ab – und damit auch die Gefahr einer akuten Abstoßungsreaktion. Aber auch im späteren Verlauf können immer noch Abstoßungen auftreten, vor allem dann, wenn die Spiegel der das Immunsystem unterdrückenden Medikamente durch unregelmäßige Einnahme oder durch externe Faktoren zu niedrig werden. Bei Verdacht auf eine Abstoßungsreaktion gibt es organspezifische Anzeichen, die auf eine Funktionsein schränkung des transplantierten Organs hinweisen. In diesen Fällen werden entsprechende Untersuchungen durchgeführt, im Zweifel wird eine kleine Gewebeprobe aus dem transplantierten Organ entnommen und untersucht. Der Nachweis der infiltrierenden Immunzellen beweist die Abstoßungsreaktion und löst eine entsprechende Behandlung aus. Diese richtet sich nach dem Grad der Abstoßung und weiteren Faktoren wie z.B. der Zahl der vorangegangenen Abstoßungsreaktionen als ein Maß für die Aktivität des Immunsys tems. In der Regel wird eine solche Abstoßungsreaktion mit einer sogenannten Cortison-Stoßtherapie behan delt, die zwischen drei und fünf Tagen dauert. Erleiden Patienten mehrere Abstoßungsreaktionen, muss eine Umstellung der Immunsuppression diskutiert werden.

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