STMUK_Handreichung_Organspende_2021_Web_BF

21 - - ­ - - - - 4 Ethische Fragen Einleitung Die Übertragung von Gewebe, Organteilen und Organen von einem Menschen auf einen anderen gehört inzwischen zu den gut etablierten medizinischen Therapieverfahren. Oft kann das Leben von Patienten durch eine Organtransplantation gerettet oder zumindest die Lebensqualität deutlich verbessert werden. Aufgrund des großen Nutzens für die Organempfänger handelt es sich bei der Organtransplantation auch aus ethischer Sicht um eine grundsätzlich zu befürwortende Therapieoption. Dennoch ergeben sich bei einer Organtrans plantation verschiedene ethische Fragen: Bei der Organentnahme stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen es ethisch vertretbar ist, die Organe des Spenders zu entnehmen. Bei der postmortalen Organspende wird die Legitimität des Hirntod- Konzepts wieder vermehrt diskutiert, insbesondere auch hinsichtlich der Frage, ob der Hirntod mit dem Tod des Menschen gleichzusetzen sei. Angesichts des anhaltenden Mangels an geeigneten Spenderorganen wird zudem diskutiert, in welcher Form der Spender in die Organentnahme eingewilligt haben muss. Die Voraussetzungen einer Lebendorganspende werden vor allem mit Blick auf die Frage diskutiert, ob und ggf. wie angesichts der Organknappheit die Anzahl der Lebendspenden erhöht werden kann. Bei der Organverteilung stellt sich schließlich die Frage, nach welchen Verfahren und Kriterien die begrenzte Anzahl an Spenderorganen auf die hohe Anzahl potenzieller Organempfänger gerecht verteilt werden kann. Wie so oft in der Medizinethik sind auch hier medizinische, anthropologische und ethische Fragen eng mit einander verwoben. Der Hirntod als Voraussetzung der postmortalen Organspende Die überwiegende Mehrzahl der Transplantationen erfolgt in Deutschland mit Organen, die einem toten Spender entnommen wurden (postmortale Organspende). Dazu muss zwischen der Feststellung des ein getretenen Todes und dem Funktionsverlust der Organe die Möglichkeit zur Organentnahme bestehen. Dies ist in Deutschland nach dem Transplantationsgesetz (TPG) dann der Fall, wenn „der Tod des Organ- oder Gewebespenders nach Regeln, die dem aktuellen Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, festgestellt ist“. Vor der Gewebe- bzw. Organentnahme muss „der endgültige, nicht behebbare Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms“ diagnostiziert werden. Dieser Zustand, der gemeinhin als „Hirntod“ bezeichnet wird, wurde 1968 von einem Ad Hoc Committee der Harvard Medical School als Tod des Menschen definiert, um zwei Probleme zu lösen: Zum einen sollte für Intensivpatienten mit einer schwersten irreversiblen Gehirnschädigung ein Kriterium für den Verzicht auf lebensverlängernde Maximaltherapie gewonnen werden. Zum anderen sollte es das Hirntod-Konzept ermög lichen, bei einemMenschen, dessen Tod auf diese Weise festgestellt ist, dessen Herz-Kreislauf-Funktion aber noch intensivmedizinisch aufrechterhalten ist, qualitativ hochwertige Spenderorgane entnehmen zu können. In Deutschland ist die Gleichsetzung des Hirntods mit dem Tod des Menschen nicht (explizit) durch das TPG vorgegeben, sondern durch eine Richtlinie der Bundesärztekammer, die gemäß TPG die Regeln zur Feststel lung des Todes und des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls erarbeitet: „Mit der Feststellung des endgültigen, nicht behebbaren Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms (irrever sibler Hirnfunktionsausfall) ist naturwissenschaftlich-medizinisch der Tod des Menschen festgestellt.“ (Bundesärztekammer 2015). Im Hinblick auf das Hirntod-Konzept sind zwei Fragen bedeutsam: 1. Ist die Diagnose des unwiderruflichen Ausfalls aller Hirnfunktionen (Hirntod) ein angemessenes Kriterium für die Organentnahme? 2. Ist mit dem irreversiblen Hirnfunktionsausfall (IHA, Hirntod) auch der Tod des Menschen festgestellt? Vor allem die zweite Frage, ob hirntote Menschen tatsächlich tot sind, wird immer wieder kontrovers diskutiert. Die Debatte flammte erneut auf, als die Bioethikkommission des US-Präsidenten die gängige medizinisch naturwissenschaftliche Begründung für die Gleichsetzung des Hirntods mit dem Tod des Menschen für

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