STMUK_Handreichung_Organspende_2021_Web_BF

20 • Der Tod als vollständiges Absterben aller Lebensvorgänge im gesamten Körper. Das bedeutet in letzter Konsequenz, dass auch die letzte Zelle eines Menschen abgestorben sein muss, damit sein Tod festgestellt werden kann. Es ist zu unterscheiden, ob vom Tod von Zellen, Geweben, Organen, Organsystemen oder Lebewesen die Rede ist, da sich der Tod der jeweiligen „Lebenseinheiten“ voneinander unterscheidet. Nach dem Tod der jeweils übergeordneten Lebenseinheit sterben ihre Untereinheiten unterschiedlich rasch ab, so dass sich nach dem Tod des Lebewesens noch restliche Lebenserscheinungen seiner Organe, Gewebe und Zellen zeigen können. Erhaltene Lebenszeichen einer oder mehrerer „Untereinheiten“ belegen jedoch nicht erhal tenes Leben der übergeordneten Einheit, hier also des menschlichen Organismus. - Die Forderung nach dem vollständigen Absterben aller Lebensvorgänge im gesamten Körper mag zwar zunächst schlüssig erscheinen, doch geht sie weit über das allgemein akzeptierte Todesverständnis hinaus. Zudem wäre das Problem zu lösen, wie man das Absterben einer jeden Zelle nachweisen soll. Für die meisten Kritiker des Hirntod-Kriteriums ist unstrittig, dass bei korrekt nachgewiesenem anhaltendem Ausfall der Gesamtfunktion des Gehirnes keine Rückkehr mehr zu einem normalen Leben möglich ist. Fol gende biologische Besonderheiten lassen die Kritiker jedoch argumentieren, ein Hirntoter sei ein sterbender, aber eben nicht ein toter Mensch: - • Einzelne Funktionen des Gehirns können intensivmedizinisch ersetzt werden: – Durch künstliche Beatmung wird die Sauerstoffversorgung der anderen Organe gedeckt. – Durch die Gabe von Hormonpräparaten kann der Ausfall der Hirnanhangdrüse ersetzt werden. – Durch Wärmezufuhr kann die Körpertemperatur geregelt werden. – Durch künstliche Ernährung kann die nötige Kalorien- und Flüssigkeitszufuhr für den Körper aufrechterhalten werden. – Durch kreislaufstützende Medikamente kann ein ausreichender Blutdruck erzielt werden. – Durch pflegerische Maßnahmen können lagerungsbedingte Hautschäden vermieden werden. • Einzelne Funktionen des Organismus sind sogar unabhängig von der Hirntätigkeit wie z. B. Rückenmarks reflexe, die Verdauung, die Blutgerinnung, die Infektabwehr durch das Immunsystem, die Wundheilung, das Wachstum der Haare und der Fingernägel. - • Selbst eine Schwangerschaft kann bei entsprechender intensivmedizinischer Behandlung fortbestehen. Die Steuerung und Aufrechterhaltung einer Schwangerschaft erfolgt nicht durch das Gehirn. Bei Tierexpe rimenten, die Antworten auf Fragen der Lebensrettung zu früh geborener Kinder geben sollten, wurde einer Ziege die Gebärmutter mit einem Zicklein entnommen. Es konnte außerhalb des Mutterleibs ausreifen. Damit wurde gezeigt, dass die Reifung eines Säugetiers bis zur Geburt auch ohne Steuerung durch das Gehirn der Mutter und unabhängig von ihrem übrigen Körper möglich ist. - Die intensivmedizinisch aufrechterhaltenen Restfunktionen sind jedoch ohne die integrative Funktion des Gehirns als von außen künstlich induziertes Leben zu verstehen. Mit dem Hirntod tritt nicht ein einfacherer Organismus an die Stelle des ursprünglichen. Vielmehr ist mit dem Hirnausfall die notwendige und unersetz liche körperliche Basis für den Menschen als untrennbare Einheit von Körper und Geist verloren gegangen. Die Fähigkeit des Gehirns, den Organismus zu einem funktionierenden Ganzen zu integrieren, und die gesamten personalen Fähigkeiten eines Menschen können auch durch die intensivmedizinische Behandlung (Beatmung, Kreislaufregulation, Wärmezufuhr etc.) weder ersetzt noch wiederhergestellt werden. -

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