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19 3.7 Wie sicher ist der Nachweis des Hirntods? Die Feststellung des Hirntods ist sicher. Es gibt in Deutschland bislang keinen nachgewiesenen Fall einer Fehldiagnose. Dennoch findet man in den Medien Berichte über Menschen, bei denen der Hirntod fälschlicherweise fest gestellt worden sei. Wann immer ein derartiger Fall berichtet wird, setzt dies sorgfältige Recherchen durch die Bundesärztekammer, z. T. auch durch die Staatsanwaltschaft, in Gang. Tatsache ist, dass es Patienten gibt, bei denen von Ärzten angenommen wurde, der Hirntod sei eingetreten. Dieser Verdacht wurde auch gegenüber den Angehörigen geäußert oder es wurde fälschlicherweise sogar voreilig kommuniziert, der Hirntod sei eingetreten, obwohl die dazu geforderten Untersuchungen noch gar nicht abgeschlossen waren. Die Untersuchungen zum Nachweis des Hirntods waren nicht erfolgt und der Hirntod wurde auch in der Folge bei den Untersuchungen nicht festgestellt. Es war also keine Fehldiagnose erfolgt, sondern eine falsche Verdachtsdiagnose geäußert worden. Bei keinem dieser Patienten wurden Organe entnommen. Bei keinem Patienten wurde vor Abschluss der Hirntod – Feststellung ein Totenschein (offizielle Todes bescheinigung) ausgestellt. - ­ Es gibt einige andere Berichte von „Fehldiagnosen“, bei denen sich bei genauer Prüfung des Falls zeigte, dass die Diagnose Hirntod zwar korrekt gestellt war, aber bei der Dokumentation der Untersuchungsbefunde Fehler gemacht wurden. Hier handelt es sich um Formfehler, die zweifellos nicht passieren dürfen, die aber nicht zu einer Fehldiagnose geführt hatten. In allen Fällen waren die Patienten tot. Das Transplantationsgesetz greift die Sorge der Menschen vor einer Fehldiagnose auf und räumt den Ange hörigen daher das uneingeschränkte Recht ein, die ärztlichen Unterlagen, insbesondere die der Hirntod- Feststellung, auch unter Hinzuziehen eines medizinischen Sachverständigen, zu prüfen. - 3.8 Probleme mit der Akzeptanz des Hirntods als Todeskriterium Man kann und darf den Tod nicht allein anhand des äußeren Anscheins definieren, da in diesem Fall Fehler nicht auszuschließen sind. Man denke nur an Zustände, die im allgemeinen Sprachgebrauch als Scheintod bezeichnet werden oder an die Möglichkeit der Wiederbelebung bei eingetretenem Herz-Kreislaufstillstand. Nur weil ein Mensch wie ein Toter aussieht, muss der Tod noch lange nicht eingetreten sein. Beim Hirntoten ist das Problem genau umgekehrt gelagert: der Tod kann zwar mit extrem hoher Sicherheit festgestellt werden – der Hirntod gilt als die sicherste Art der Todesfeststellung in der Medizin – doch dem Laien erscheint der Körper rein intuitiv nicht als tot. Sichere Todeszeichen unterscheiden unabhängig vom subjektiven äußeren Anschein nach objektiven Kriterien zwischen Leben und Tod. Darüber hinaus sollen sie aber auch das Todesverständnis der Menschen abbilden. Sie werden sonst gesellschaftlich nicht akzeptiert. Es soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass der Hirntod als Kriterium für den Tod nicht von jedermann akzeptiert wird. Folgende Auffassungen werden zu der Frage, was der „Tod“ eigentlich ist, am häufigsten vertreten: • Der Tod als Ende des personalen Lebens. Das bedeutet Tod als Verlust der für das Menschsein als essen tiell angesehenen mentalen Funktionen oder als Verlust menschlicher Beziehungsfähigkeit. Nach dieser Auffassung würden Menschen mit schweren Hirnschädigungen als tot gelten, auch wenn sie noch – sogar ohne jede intensivmedizinische Behandlung – über vegetative Fähigkeiten zur Aufrechterhaltung des Organis mus wie Eigenatmung, Schlaf-Wach-Rhythmus oder Kontrolle des Wasserhaushaltes des Körpers verfügen. - ­ • Der Tod als Verlust der körperlich-geistigen Einheit bzw. als Ende der funktionellen Ganzheit des Organismus. Dies ist für den Laien erkennbar bei Nachweis der „klassischen Todeszeichen“ (Leichenstarre, Totenflecken etc.) gegeben. Dies ist auch bei nachgewiesenem Hirntod gegeben, da mit dem Ausfall des Gehirns nicht nur alle geistigen und personalen Funktionen erloschen sind, sondern auch die Fähigkeit, als Individuum in einem sich selbst regulierenden, integrierten Organismus weiter zu existieren. Dass das Gehirn die unabding bare Voraussetzung für personale Leistungen ist, wird heute von niemandem ernsthaft bestritten. Die scheinbare „Lebendigkeit“ des Körpers eines Hirntoten dagegen steht im Fokus der Diskussion (siehe hierzu S. 20, 22). ­

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