Table of Contents Table of Contents
Previous Page  13 / 52 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 13 / 52 Next Page
Page Background

|13 |

Arten zusammensetzt, welche die meisten Feldführer auflisten und abbilden: Nein,

Zoodiversität besteht zu weit über 80% aus der Fraktion »klein, schwarz oder weiß

und hässlich«: das Heer der kleinen Insekten (insbesondere Käfer, Fliegen, Mücken

und Kleinwespen-Verwandte), Milben, oder die diversen Wurmgruppen. Diese

Vielfalt und deren Veränderung präzise zu erfassen, ist ungemein zeitaufwändig

und damit teuer, und erfordert insbesondere Spezialisten (»Artenkenner«) in

nahezu jeder betroffenen Tiergruppe – die gibt es allerdings immer seltener.

eit nunmehr fast acht Jahren geht die Zoologische Staatssammlung Mün-

chen (ZSM) im Rahmen einer globalen Initiative daher einen völlig neuen,

hochgradig technisierten Weg der Arterfassung und -bestimmung: DNA-

Barcoding ist das Zauberwort. Analog zum Vorgehen der Kriminalpolizei bei

DNA-Spuren der Täter können durch Sequenzvergleich bestimmter, bei Tieren

meist mitochondrialer Gene die Arten aller Tiergruppen sauber getrennt und

damit bestimmt werden. Damit verlagert sich das Problem der Bestimmung von

überlasteten Experten in die molekulargenetischen Labors der Wissenschaftler.

Ein großer Vorteil: der genetische Fingerabdruck bleibt das ganze Leben unver-

ändert, daher ist eine einmal erfasste artspezifische Gensequenz auch für Eier,

Larven oder selbst Überreste derselben Tierart anwendbar. Die Empfindlichkeit

der Methode erstaunt selbst die Experten immer wieder: So genügt beispielsweise

1 Liter Wasser aus einem Fischteich, um etwa den geschützten Fischotter oder

aber den eingeschleppten Amerikanischen Nerz (Mink) nachzuweisen.

Die ZSM beherbergt als Forschungssammlung derzeit rund 25 Millionen zoolo-

gischer Objekte und gehört als Teilinstitution der Staatlichen Naturwissenschaft-

lichen Sammlungen Bayerns (SNSB) zu den weltweit größten naturkundlichen

Sammlungen, die Schmetterlingssammlung der ZSM gilt mit über 11 Millionen

Exemplaren sogar als die größte der Welt. ImRahmen der Initiativen »Barcoding

Fauna Bavarica« (BFB) und »German Barcode of Life« (GBOL) verfolgen die Mün-

chener Forscher und ihre Kollegen das ehrgeizige Ziel, alle deutschen Tierarten

genetisch zu erfassen und in einer Online-Bibliothek für alle Interessenten, also

Amateure, Fachleute, aber auch etwa Behörden, weltweit zur Verfügung zu stellen.

achdem die Forscher der ZSM über Jahre hinweg eine genetische Biblio-

thek von über 17000 bayerischen Tierarten angelegt hatten, schlug im

Sommer dieses Jahres nun die Stunde der Wahrheit für die erste Breit-

band-Anwendung bzw. Auswertung der neuen Methode. Als Teil eines internati-

onalen Insektenfang-Projekts (Global Malaise Programm, GMP) war bereits im

Sommer 2012 imNationalpark Bayerischer Wald eine sogenannte Malaise-Falle

aufgestellt worden. Malaise-Fallen sind zeltartige Gebilde, die sich besonders gut

zur Erfassung der Biodiversität kleiner, flugaktiver Insekten eignen. Während der

nur fünf Monate dauernden Fangzeit wurden fast 30000 Insekten gesammelt.

Diese immense Zahl, deren Bestimmung nach klassischen Methoden viele Spe-

zialisten viel Zeit gekostet hätte, konnte nun dank DNA-Barcoding nicht weniger

als 2530 Arten zugeordnet werden.

Diese große Artenfülle aus nur einer einzigen Falle in nur wenigen Monaten war

zunächst ausgesprochen überraschend: In den bisherigen Langzeiterfassungen,

das heißt über viele Jahre hinweg, wurden für den Nationalpark insgesamt erst

3257 Insektenarten sicher nachgewiesen, Schätzungen sprachen von ca. 4000

Arten. Es ist daher zu vermuten, dass der Nationalpark noch viele bisher nicht

erfasste »Krümelmonster«, d. h. Kleintiere bis zu 2 mmKörperlänge, beherbergt.

Die nunmehr nach oben korrigierten Schätzungen gehen derzeit von über 7000

Insektenarten für den Nationalpark Bayerischer Wald aus. Diese unerwartet

hohe Zahl an Arten stellt demNationalpark Bayerischer Wald ein hervorragendes

Zeugnis aus: Nicht zu Unrecht gilt der Nationalpark als eines der 30 so genannten

»Hotspots«, also Gebiete mit besonders hoher biologischer Vielfalt in Deutschland.

links

Gnorimus nobilis (Grüner Edelscharrkäfer,

15-18 mm) ist ein Vertreter der Rosenkäfer.

Die metallische Farbe wird dabei durch

Lichtreflexion an hauchdünnen Chitinlamellen

verursacht. Die Larven sind Engerlingen

(Maikäferlarven) sehr ähnlich, leben aber im

Mulm der Baumhöhlen von Laubbäumen.

darunter

Die Malaisefalle des Projektes auf

einer sich nach Schädlingsbefall regene-

rierenden Lichtung im Nationalpark Bayeri-

scher Wald.

darunter

Langsam vermoderndes Totholz

ist eine wichtige Nische für viele Tierarten im

Nationalpark Bayerischer Wald.

unten

Keine Schmetterlingsraupe, sondern die

Larve einer seltenen Blattwespen-Art,

Nematus fagi, die gerade ein Buchenblatt

(Fagus sylvatica) verspeist.

S

N